Installations- und Gebäudetechnik

17.11.2023
Fery Lipp und Andy Widmer

Die Energiezukunft gibt’s schon heute

Der Informationsbedarf zu Themen rund um die Energie- und Wärmewende ist aktuell grösser denn je. Da kam das kürzlich veranstaltete Fachsymposium mit Referenten aus der Haustechnikbranche und einer renommierten Umweltwissenschaftlerin genau zur rechten Zeit. Gastgeber für die Veranstaltung, die das Pressebüro Waldecker erneut organisierte, war die Firmenzentrale des Lüftungstechnikunternehmens Pluggit in München.

35 internationale Baufachjournalisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz waren der Einladung zum Waldecker-Fachsymposium 2023 nach München gefolgt. Sie bestätigten das grosse Interesse an dem breiten Themenspektrum, das mehr zu bieten hatte als nur die Wege zur zukunftsweisenden Wärmerzeugung. In spannenden Vorträgen ging es um Möglichkeiten zur Emissionsreduzierung und Effizienzsteigerung und ganz am Ende sogar um nichts Geringeres als die Frage, ob und wie «die Rettung der Welt» oder zumindest einer für den Menschen lebenswerten Umwelt gelingen kann.

 

Intelligente Kombination zweier Technologien
Von der technischen Seite kann der Weg nur über kluge Einzelmassnahmen führen. Nach der Begrüssung durch Gastgeber Matthias Reitzenstein, Geschäftsführer von Pluggit, verdeutlichten die am Symposium beteiligten Referenten, dass es dafür auch in Deutschland schon heute oft kluge Lösungen in der Gebäudetechnik gibt – und das auch schon seit vielen Jahren. Neben der favorisierten Wärmepumpe stehen für den Gebäudebestand zum Beispiel mit Hybridsystemen intelligentere und oft auch wirtschaftlichere Konzepte statt «All Electric» zur Verfügung, wie Franz Killinger als Vertriebsleiter und Michael Beckmann als Leiter Produktmanagement des Heiztechnikherstellers Remeha aufzeigten. Killinger und Beckmann informierten die anwesenden Journalisten über Hybrid-Lösungen für die Umsetzung der Energiewende im bestehenden Gebäudepark. In den kommenden Jahren sollten 20 Mio. Heizungsanlagen saniert werden. Dabei gilt zu beachten, dass 70% der Häuser über 40 Jahre alt sind. Dass nicht alle Heizungen mit Wärmepumpen erneuert werden können, liegt auf der Hand. «Das müsste auch die Politik berücksichtigen», betonte Beckmann. Viele ältere Gebäude verfügen über ein Hochtemperatur-System und bei Vorlauftemperaturen über 60 °C kann eine Wärmepumpe nicht mehr mit der geforderten Wirtschaftlichkeit heizen. Da sind hybride Lösungen gefragt.


Im Vorfeld einer Sanierung muss abgeklärt werden, ob Heizkessel, Speicher und Peripherie diesen Schritt ermöglichen. Gemeinsam mit Planungsfachleuten wird die passend ausgelegte Wärmepumpe oder Solaranlage definiert. So kann der Einsatz fossiler Energieträger massiv reduziert werden. Ein modernes Hybridheizsystem nutzt zu jeder Zeit die Energiequelle, welche die niedrigsten Kosten verursacht. Gleichzeitig stellt es sicher, dass die Bewohner im Gebäude eine angenehme Wärme und ausreichend Warmwasser zur Verfügung haben. Ein komplettes Hybridsystem ist in der Neuanschaffung eine grössere Investition als ein einfacher Heizkessel. Andererseits ist es eine nachhaltige Investition mit geringeren Verbrauchskosten. Aber auf lange Sicht lohnen sich die Ausgaben durch wesentlich niedrigere Energiekosten.

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Saas Fee als erste feinstaubfreie Gemeinde der Welt
Dipl.-Ing. Michael Erlhof referierte als Seminarleiter der Raab-Gruppe über Massnahmen zur Emissionsminderung im gewerblichen und privaten Bereich. Das Thema wird in Deutschland im Zusammenhang mit einer bevorstehenden Überarbeitung der 1. Bundesimmissionsschutzverordnung erhöhte Aufmerksamkeit bekommen. Erlhof lobte die Walliser Gemeinde Saas Fee als erste feinstaubfreie Gemeinde der Welt, dort sei jede Holzfeuerung mit Partikelabscheider ausgerüstet und das seit über 10 Jahren und betonte: «Sie sehen, man kann was tun.»

 

Der Seminarleiter stellte die verschiedenen Partikelabscheider Airjekt 1 sowie die Rauchsauger Injekt und Airspeedy, die Zugbegrenzer, die Leichtbaukamine sowie die Zubehörteile von Raab Abgastechnik vor und zeigte deren Wirksamkeit auf. «Unser Ziel ist die weitere deutliche Reduzierung der Staub- und CO2-Emissionen durch spezifisch aufeinander abgestimmte Komponenten bzw. Systemlösungen», sagte Erlhof.

 

Wärmerückgewinnung in Gewerbe und Industrie
Über die grossen Potentiale, die die Wärmerückgewinnung in Gewerbe und Industrie bietet, sprach Dipl.-Ing. Jan Kramp als Projektleiter der Schräder Abgastechnologie. Dabei stellte er die Feinstaubminderung bei Biomassefeuerungen, die Kamintechnik sowie die Wärmerückgewinnung in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Kramp veranschaulichte die Wärmerückgewinnung in verschiedenen Projekten (z.B. industrielle Abwärme) und zeigte die verschiedenen Arten der Bundesförderung sowie die Ausgestaltung des neuen Gebäudeenergiegesetz (GEG) 2024 in Deutschland auf. Das GEG verlangt, dass 65% der mit einer Anlage bereitgestellten Wärme mit erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme erzeugen werden müssen. Mit Biomasseheizungen wird diese Vorgabe erfüllt.

 
Nicht nur aktionistische Symbolpolitik
Nachdenklich stimmte der Vortrag zur «Nachhaltigkeit diesseits und jenseits des Gebäudebereichs – sind wir alle noch zu retten?» von Prof. Dr. Estelle L. A. Herlyn, Leiterin des Kompetenz Centrums für nachhaltige Entwicklung an der FOM Hochschule Düsseldorf. Sie kritisierte global nicht zielführende Massnahmen und aktionistische Symbolpolitik, vor allem in Deutschland. Die Zeit zur Eindämmung der Folgen des Klimawandels würde drängen, während man sich hier mit verschwenderischem Kapitaleinsatz im global wirkungslosen Klein-Klein erginge.

 

Trotzdem wolle sie nicht nur Resignation erzeugen. Deshalb präsentierte sie abschliessend einen Katalog wirkungsvoller Massnahmen, «denn völlig andere Wege als bisher sind einzuschlagen, wenn wir eine gute Zukunft im Bereich Energie und Klima erreichen wollen». Sie forderte internationale Kooperation sowie eine internationale Klimafinanzierung (aus dem Globalen Norden in den Globalen Süden).

 

Und: «Ohne Beachtung der internationalen Dimension würden alle in der Folge genannten weiteren Punkte ohne positiven Einfluss auf das Klima bleiben – sie sind notwendig, aber nicht hinreichend.» Im Vordergrund stünden dabei die Wahrung von Technologieoffenheit («Ein Energiesystem, das industrielle Wertschöpfung ermöglichen soll, muss auf 2 Säulen stehen.»), die Nutzung und «technische» Speicherung von CO2 (CCUS), Erhalt, Entlastung und Ausbau der natürlichen CO2-Senken, Vermeidung ineffizienter und inkonsistenter Instrumente, die Vermeidung von Planwirtschaft sowie CO2-Vermeidungskosten als zentrale Entscheidungsgrösse (CO2-Wirkung pro Euro).

 

 

Der vollständige Beitrag ist in p+i 07/23 erschienen.


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