Geothermie in der Schweiz (Teil 2): Inwil LU

In der Nähe der Autobahn in Inwil soll das Kraftwerk zu stehen kommen. Der genaue Standort ist noch offen. (Foto: CKW)

24.06.2025
Mathias Küng / PW

Geothermie soll Wärme und Strom liefern

Im September 2023 haben die Centralschweizerischen Kraftwerke AG (CKW) die Abklärungen für ein Geothermiekraftwerk in Inwil im Kanton Luzern gestartet. Es soll ab 2032 Wärme und Strom liefern. Voraussichtlich 2026 kann die Bevölkerung von Inwil über das Projekt abstimmen.

Bei den CKW ist man überzeugt, dass die Schweiz ohne einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien auf eine grosse Winterstromlücke zusteuert. Und wie kann man diese Lücke schliessen? Bei den CKW (und in Bundesbern) ist man überzeugt, dass es einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien mit Fokus auf den Winter braucht, sowie eine Reduktion des Strombedarfs im Winterhalbjahr. Doch der Ausbau gerade bei der Windenergie und bei alpinen Solar-Grosskraftwerken kommt nur sehr schleppend voran. Trotz aller Anstrengungen dürfte man nicht um Reservekraftwerke herumkommen.

So ein Reservekraftwerk zur Stromproduktion steht derzeit in Birr im Kanton Aargau. Zum Einsatz gekommen ist es bisher zum Glück noch nicht. Denn es würde mit Erdgas betrieben. Das würde die schweizerische CO2-Bilanz spürbar verschlechtern, auch wenn es dereinst – wie von der Politik versprochen – tatsächlich nur an einigen Spitzentagen im Winter in Betrieb sein sollte.

Technische Umsetzung: Infografik zur Tiefenerdwärmenutzung im Raum Inwil mit Bohr-Doublette in die Muschelkalkschicht in rund 4100 Metern Bohrtiefe. (Grafik: CKW)

Technische Umsetzung: Infografik zur Tiefenerdwärmenutzung im Raum Inwil mit Bohr-Doublette in die Muschelkalkschicht in rund 4100 Metern Bohrtiefe. (Grafik: CKW)

Projektleiter Philipp Leppert und CKW-Mediensprecher Christoph Hug mit einem Seismometer. (Foto: CKW)

Projektleiter Philipp Leppert und CKW-Mediensprecher Christoph Hug mit einem Seismometer. (Foto: CKW)

CKW sieht Potenzial auch in der Geothermie

CKW setzt wie andere Energieversorger auch auf einen breiten Technologiemix von Wasserkraft, Solarenergie, Wärme-Kraftkopplungs-Kraftwerke sowie auf Windenergie. Potenzial sieht sie aber auch in der tiefen Geothermie. Die liefert an 365 Tagen im Jahr verlässlich und ohne CO2-Ausstoss (abgesehen vom Energieverbrauch beim Bau des Kraftwerks) Energie, erhöht zudem die Versorgungssicherheit und verringert die Energie-Auslandabhängigkeit.

Ab 2032 soll nun ein Geothermiekraftwerk in Inwil LU (der genaue Standort ist noch offen) dank erwartetem 140 °C heissem Wasser aus einer Bohrtiefe von 4000 bis 4500 Metern in einer Muschelkalkschicht sowohl Strom als auch Wärme produzieren. Laut einer 2021 durchgeführten Machbarkeitsstudie für Tiefengeothermie im Kanton Luzern bietet die Region Inwil/Perlen sehr gute geologische Voraussetzungen für ein Geothermieprojekt.

 

Strom und Wärme für tausende Haushalte

Bezugnehmend auf die Machbarkeitsstudie rechnet Projektleiter Philipp Leppert damit, dass dieses Kraftwerk dereinst bis zu 27 Megawatt (MW) thermische Leistung bzw. 78 Gigawattstunden (GWh) pro Jahr Wärmeproduktion für ca. 6500 Haushalte erbringen könnte. Dazu sollte es 4 MW elektrische Leistung bzw. 18 GWh (= 18 Millionen Kilowattstunden) pro Jahr Strom für ca. 4000 Haushalte liefern können.

Der grosse Vorteil eines Geothermiekraftwerks sei, «dass diese klimafreundliche Energie zuverlässig und sicher Bandenergie das ganze Jahr hindurch liefert – unabhängig von Wetter und Tageszeit», betont Leppert. Das dürfte – wenn es klappt – besonders im Winter mit Blick auf die zu erwartende Strom- und Wärmelücke von hoher Bedeutung sein.

 

Erwartete Kosten von 70 bis 80 Millionen Franken

Leppert rechnet heute damit, dass das Kraftwerk, das voraussichtlich über 50 Jahre produzieren könnte, im Jahr 2032 den Betrieb aufnehmen wird, wenn alles wie geplant klappt. Gerechnet wird mit Gesamtkosten von 70 bis 80 Millionen Franken. Im Januar 2025 wurden mit 300 auf einer grossen Fläche im Boden einzeln vergrabenen Seismometern weitere Informationen über die Beschaffenheit des Untergrunds erhoben. Leppert: «Heute gibt es kaum noch irgendwo in Europa eine Geothermiebohrung ohne vorherige umfangreiche Untersuchung des Untergrunds.» Mit ersten Resultaten rechnet man bis Ende Sommer. In deren Kenntnis wird dann über das weitere Vorgehen entschieden.

 

Datenlage zum Untergrund noch ungenügend

Nötig geworden ist diese Massnahme, weil die Datenlage noch ungenügend ist. Frühere Untersuchungen wurden z.B. in den 70er Jahren aufgrund vermuteter Erdöl- und Erdgasvorkommen getätigt und erfolgten in anderen Tiefen und mit anderen Zielparametern. Heute gibt es fortgeschrittenere Methoden für die Erhebung und Auswertung von seismischen Messungen, so Leppert weiter. Er schliesst nicht aus, dass anschliessend lokal noch eine exaktere Untersuchung nötig werden könnte – das sei abhängig von den Resultaten der soeben durchgeführten Untergrund-Untersuchung.

 

Fernwärmenetz ist in der Region bereits da

Die CKW setzt auch deshalb auf das Projekt in Inwil, weil sie hier nebst einer günstigen Geologie abseits von sehr dicht besiedeltem Gebiet davon ausgeht, nebst Wärme auch Strom produzieren zu können.  Weiter für Inwil spricht, dass in unmittelbarer Nähe zum möglichen Standort der Autobahn A 2 entlang das neu gebaute Fernwärmenetz von Luzern bis nach Zug verläuft. Die Erdwärme könnte hier also gut eingespeist werden. Die CKW rechnet aufgrund der angepeilten Dekarbonisierung und des erwarteten weiteren Wachstums der Region damit, dass die Nachfrage da sein wird.

 

Geothermie liefert Strom, Wärmepumpe braucht Strom

Aber ist ein so aufwendiges und zeitintensives Projekt nicht ein Rennen gegen die Zeit, weil aktuell viele Haushaltungen ihre Heizung von Öl oder Gas auf eine umweltfreundliche Wärmepumpe (auch wenn der diesbezügliche Boom jüngst etwas abgeflaut ist) umstellen und deshalb gar nicht mehr an einer Fernwärmeversorgung interessiert sind? Leppert verweist darauf, dass die CKW bereits mehrere Wärmeverbünde hat, etwa in Schüpfheim.

Zudem werde das Kraftwerk Inwil dereinst ja gerade ein bestehendes Fernwärmenetz beliefern und eine Verlängerung sei potenziell auch Richtung Kriens möglich. Auch dort diskutiere man derzeit über einen neuen Wärmeverbund. Für Haushalte, die heute schon zu einer umweltfreundlichen Heizung wechseln wollen, stellen viele Energieversorger – auch die CKW – als Übergangslösung Wärmepumpen zur Verfügung.

 

Was ein Geothermiekraftwerk den Wärmepumpen voraus hat

Der grosse Trumpf der Geothermie gegenüber den Wärmepumpen ist, so Leppert, «dass ein Geothermiekraftwerk das ganze Jahr durch Strom liefern kann, derweil eine Wärmepumpe für 1 kWh produzierte Wärme 0,3 kWh Strom verbraucht – Strom, der dereinst im Winter knapp sein wird. Mit Geothermie lässt sich also Winterstrom sparen, auch wenn für den Betrieb der Anlage Strom nötig ist». Wenn dereinst die KKW eins nach dem anderen vom Netz gehen, könne man dies im Winter nicht allein mit Staumauererhöhungen und der Solaroffensive ausgleichen. CKW-Mediensprecher Christoph Hug ergänzt, das Geothermie-Potenzial sei gross, die Technologie ausgereift, der Bedarf dafür sei da.

 

«Transparent und frühzeitig informieren»

Man beziehe die Bevölkerung mit ein, informiere transparent und frühzeitig, sagt Leppert, und weiter: «So ein Projekt bringt nichts, wenn die Bevölkerung dieses nicht als sinnvoll erachtet.» Voraussichtlich 2026 wird die Bevölkerung von Inwil über das Projekt abstimmen können. Erst nachher – sofern das Volk zustimmt – wird es zu einer Bohrung kommen. Während einer möglichen Bohrung werde man die Messdaten ständig monitoren «und stoppen, falls dies aufgrund der Monitoringdaten nötig würde». Trotz aller vorgängigen Abklärungen, könne der Nachweis, ob genügend Thermalwasser für die Wärme- und Stromproduktion vorhanden sei, nur mit einer Bohrung verlässlich erbracht werden.

Wie ist denn die Stimmung in der betroffenen Gemeinde? Mediensprecher Hug wohnt im Nachbardorf und kommt viel in Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern. An einer Informationsveranstaltung im Oktober 2023 wurden kritische Fragen gestellt, ein «auf gar keinen Fall» zum Projekt habe er aber aus keinem Votum herausgehört. Hug wird regelmässig gefragt, wann neue Informationen verfügbar seien und wann es losgehe. Eine ablehnende Haltung in der Bevölkerung spürt er nicht.

 

«Ukrainekrieg brachte Geothermie grossen Schub»

Sind denn aufgrund der vor Jahren gescheiterten Projekte in Basel und St. Gallen keine Ängste vor Erdbeben da? In Haute-Sorne im Kanton Jura, wo auch ein Geothermieprojekt läuft, gab es in der Bevölkerung teilweise grossen Widerstand. Seit den Projekten in Basel und St. Gallen haben die Bohrtechnologie und die Verfahren deutliche Fortschritte gemacht, antwortet Leppert. Inwil liegt zudem in einer Region, die schweizweit ein unterdurchschnittliches natürliches Erdbebenrisiko hat. Erst nach Abschluss der Untergrunduntersuchungen, deren Analyse und der weiteren Planung kann CKW genauer zum vorgesehenen Bohrverfahren informieren.

 

Bereits Dutzende Geothermiekraftwerke in Deutschland

Risiken gebe es natürlich bei jedem Projekt, räumt Leppert ein, «doch in Deutschland, wo ich zuvor in diesem Bereich tätig war, sind 40 Geothermiekraftwerke in Betrieb, die ersten grossen seit 2003 und noch viel mehr in Planung bzw. im Bau. Geothermie wird auch im Grossraum Paris stark genutzt, weitere Projekte laufen in Frankreich, Kroatien und anderen Ländern. Der Ukrainekrieg hat der Geothermie einen zweiten grossen Schub in Zentraleuropa gebracht.»

 

Überkantonaler Bewilligungs-Hürdenlauf

Wie schwierig ist es eigentlich, Bewilligungen für dieses Projekt zu bekommen? Er habe vier Monate gearbeitet, nur um alle Bewilligungen für die Messung im Januar 2025 zu bekommen, seufzt Leppert. Diese Messungen wurden in sechs Kantonen mit unterschiedlichen Regelungen (wovon zwei ein kantonales Gesetz zur Nutzung des Untergrundes haben) und 65 Gemeinden durchgeführt. Mediensprecher Hug ergänzt: «Die Bewilligung stand nie in Frage, doch bis alle Rückmeldungen da waren, brauchte es viel Zeit.»

Würde man sich in Luzern vor diesem Hintergrund eine einheitliche nationale Gesetzgebung wünschen? Grundsätzlich fände er das gut, antwortet Leppert. Gut wäre aber auch schon, «wenn sich die betroffenen Kantone untereinander abstimmen und wir statt sechs nur noch einen Ansprechpartner hätten. Das würde solche Prozesse künftig vereinfachen. Es ist aber auch so machbar, wie wir gezeigt haben».

 

ckw.ch/geothermie

 


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