Gespräch zwischen Rekbekka Masson und Michel Briker (links) und Demba Mballo Baldeh. (Foto: Michael Küng)
Mathias Küng / PW
250 Solarmonteure fürs Mittelland
Dringend nötige Ausbildungsangebote für die Solarbranche nehmen Fahrt auf, wie ein Infoanlass in Lenzburg zeigt.
«Nach den Abstimmungen zu den Energiegesetzen auf Ebene Bund und Kantone gilt: Die Energiewende kommt bestimmt und nimmt ab 2025 richtig Fahrt auf.» Das sagte Informa Solar-Projektleiterin Rebekka Masson mit Blick auf das geplante Inkrafttreten des Stromversorgungsgesetzes an einem Informationsanlass Ende September in Lenzburg, mit dem sie sich an alle Solarunternehmen im Mittelland und an alle, die es werden möchten, richtete. Bis heute sind im Mittelland jedoch noch nicht mal zehn Prozent der geeigneten Dächer mit Solaranlagen eingedeckt, so Masson weiter. Es fehlen der Branche die Solarmonteure und auch Fach- und Führungskräfte auf allen Stufen. Durch den Anlass leitete Thomas Ammann, Leiter Energieeffizienz im Departement Bau, Verkehr und Umwelt (BVU) des Kantons Aargau.
Ziel des Projekts von Informa Solar ist laut Masson, dass der Quereinstieg in die Solarbranche für geeignete Arbeits- und Fachkräfte jeden Alters aus verschiedenen Branchen schon während der Arbeitslosigkeit gelingt. Aber auch für Solarunternehmen lohne es sich, ihren bisherigen und neuen Mitarbeitenden gleich nach Stellenantritt diesen Kurs zu ermöglichen, so Masson.
Jeden Monat können diese jedoch auch Personen vom RAV, die den Fachkurs mit PSAgA (persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz, von der SUVA vorgeschrieben) absolviert haben, sofort einstellen und mit der Einarbeitung im Betrieb beginnen, so Masson weiter. Denn diese fünftätigen Kurse finden monatlich statt. Auf diese Weise profitiere das Gewerbe von der Energiewende und die Wertschöpfung bleibe in den Kantonen, hält Masson fest.
Spätestens seit dem zuvor nie gekannten Strompreisanstieg 2022/23 ist der Run auf Solarmodule zur Eigenstromerzeugung noch viel grösser. Nun wird das im Februar 2023 eröffnete «Solar Zentrum Aargau» des Weiterbildungszentrum (wbz) Lenzburg neu sogar zur Ausbildungsstätte von Solarmonteurinnen und -monteuren fürs ganze Mittelland. Dieses Zentrum zieht übrigens per Sommer 2026 in einen Neubau des wbz auf dem Bildungscampus Lenzburg. Dies sagte Fabian Schaller, Leiter Höhere Berufsbildung des wbz, am Informationsanlass in Lenzburg.
In Lenzburg zeigte denn auch Marco Walker, Leiter Höhere Berufsbildung BZ Polybau, eloquent auf, wie man lernt, Solaranlagen zu montieren.
Drei neue Lehrgänge im Berichtsjahr
Im wbz-Berichtsjahr 2023 konnten im Solarbereich gleich drei neue Lehrgänge ins Portfolio aufgenommen werden. Die Lehrgänge Solarteur:in® mit Zertifikat und Projektleiter:in Solarmontage mit eidg. Fachausweis gelangten am 23. September 2023 zur ersten Durchführung.
Die Installationsbewilligung (Art. 14 NIV) Photovoltaikanlagen wurde im Februar 2024 auf der Webseite aufgeschaltet. «So nimmt einen positiven Lauf, was mit dem fünftägigen Kurs Solarmonteur:in mit Zertifikat begann», heisst es dazu im Jahresbericht.
Der Lehrgang Photovolteur:in® kommt im Frühling 2025 erstmals ins Weiterbildungsangebot und richtet sich an alle Personen, welche sich vertiefte Kompetenzen im Bereich Photovoltaik, Elektrotechnik sowie Dach, Wand und Arbeitssicherheit aneignen wollen. Mit diesem Zertifikat erlangt man die Zulassung zur Prüfung nach Art. 14 NIV des Eidgenössischen Starkstrominspektorats (ESTI).
Kantone können so Klimaziel schneller erreichen
Apropos Solarmonteurin bzw. -monteur: Am Tag des Podiums in Lenzburg sind im «Solar Zentrum Aargau» bereits über 250 ausgebildet worden. Sie arbeiten nun auf den Dächern in der Region. Beim Erscheinen dieser Ausgabe von HK-Gebäudetechnik werden es schon mehr sein. Der Kurs befähigt laut Schaller Handwerker, Dachdecker, Elektriker, wie auch Stellensuchende, Um- und Quereinsteiger, auch Personen vom RAV, Photovoltaik-Elemente fachgerecht und sicher auf einem Dach zu montieren. Ziel ist, dass sie als Quereinsteiger optimal vorbereitet sind für die Arbeit auf dem Dach. So können die Kantone ihre Klimaziele schneller erreichen, ist die Hoffnung.
Ausbildung bereits für mehrere Kantone
Nachbarkantone beteiligen sich am im März 2023 gestarteten Angebot, um schneller mehr Solarmonteurinnen und -monteure fürs ganze Mittelland auszubilden. Ab September werden sich laut Masson die Kantone Luzern, Basel-Landschaft und Basel-Stadt am «Solar Zentrum Aargau» beteiligen. Später sollen weitere dazustossen. Auch Solothurn, Bern, Zürich und St. Gallen haben schon Leute hergeschickt. Die Ausbildungsstätte wird damit zum Zentrum fürs ganze Mittelland und das Kursangebot wird entsprechend ausgebaut.
Wie zwei junge Männer zur Solarbranche kamen
Auf dem Podium erzählten Michel Briker und Demba Mballo Baldeh von ihrem Um- bzw. Einstieg in die Solarbranche. Briker war lange in der Telekommunikation tätig, suchte dann eine neue Herausforderung und fand diese in der Solarbranche. Dem Projektleiter gefällt die Arbeit augenscheinlich sehr.
Mballo Baldeh war Logistiker und verlor seine Arbeit. Über einen Kollegen wurde er auf die Solarausbildung aufmerksam und meldete sich bei Informa Solar. Er absolvierte die Ausbildung und könnte laut Masson auch noch das EBA machen. Er arbeitet inzwischen in einer Solarfirma. Bei beiden hörte man heraus, man könne gar nicht so schnell arbeiten, wie die Kunden wollen, es fehlen in allen Bereichen Leute. Ein besonders grosses Augenmerk müsse man angesichts der schnellen Entwicklung der Qualitätssicherung widmen.
Ausbildungszentrum ist dringend
Am Informationsanlass sprach auch Ralf Bucher, Aargauer Mitte-Grossrat, Geschäftsführer des Bauernverbands Aargau (BVA) und im Vorstand des AEE Aargau. Er ist Agrotechniker, hat einen eigenen Bauernhof und auf den Dächern PV-Anlagen. Er produziert seit 2015 Strom mit einer KEV-Anlage (130 kWp), seit 2021 auch mit einer Eigenverbrauchsanlage (25 kWp).
Bucher brach eine Lanze für das Ausbildungszentrum in Lenzburg: «Bis 2035 muss die Schweiz den neuen erneuerbaren Strom versechsfachen, vorab mit Photovoltaik.» Dafür brauche es dringend mehr Leute, die solche Anlagen installieren. Ein anderes Thema seien dann die Lieferfristen …
Bucher kann zwar nachvollziehen, dass die Vergütung für Solarstromproduzierende in seiner Wohngemeinde stark schwankt. Jüngst ist sie massiv gesunken. Dank guter Jahre zuvor könne er seine Anlagen weiter rentabel betreiben, wer neue installieren wolle, für den sei es schwieriger.
Stromnetz: Werben für Peak Shaving
Er fordert generell verlässliche Rahmenbedingungen für Klein- und Grossproduzenten, gut ausgebildete Fachkräfte, eine Zusammenarbeit der Kantone sowie «ein intelligentes Mitdenken beim Netzausbau und nicht auf Teufel komm raus installieren». Mit Peak Shaving könne man teuren Netzausbau vermeiden. Und wie geht das? Bucher erklärt: Bei einem optimalen Sonnentag wird über den Mittag sehr viel PV-Strom ins Netz eingespeist, der zum Teil dann nicht verbraucht werden kann. Um die Leistung aufnehmen zu können, müssten die Netze ausgebaut werden.
Spitzenlast nicht einspeisen wäre einfacher
Einfacher wäre es aber, so Bucher, «wenn diese Spitzenlast gar nicht eingespeist wird und damit das Netz nicht für diese Last ausgebaut werden muss, da der Strom dann sowieso nicht gebraucht werden kann». Dabei gibt es die Möglichkeit, diese Spitzenlast in eine Batterie einzuspeisen oder einfach gar nicht einzuspeisen. Wenn man den Wechselrichter (genauer: die maximale Einspeiseleistung) auf 70 % auslegt, anstatt auf 100 % (maximale totale Modulspitzenleistung), dann verliert man übers Jahr nur 4 % Strom, so Bucher weiter, «aber eben genau die Spitze, die es nicht braucht und die den Netzausbau nötig machen würde».
180 Lehrlinge für 3- und 2-jährige Ausbildung gestartet
Doch nicht nur Solarmonteure und -monteurinnen werden ausgebildet. Auch die Solarlehre ist gestartet. Das freut besonders David Galeuchet, Vizepräsident von swissolar. Swissolar ist der Dachverband der Schweizer Solarbranche. Im August haben nämlich in der ganzen Schweiz rund 180 Lernende die Ausbildung als Solarinstallateur/in oder als Solarmonteur/in begonnen. Es ist der erste Lehrgang, wie swissolar damals meldete, der die für den Solarausbau dringend benötigten Fachkräfte ausbildet und damit das Wachstum der Solarbranche unterstützt.
Neue Lehre wurde in nur zwei Jahren entwickelt
Die neue Lehre wurde in nur zwei Jahren vom Branchenverband Swissolar, vom Bildungszentrum Polybau sowie von Experten aus rund 20 Solarunternehmen entwickelt. Der neue Beruf stösst laut Galeuchet bei Jugendlichen auf Interesse, ist dies doch ein Beruf mit Zukunft.
Der Weg zum Abschluss Solarinstallateur/in EFZ führt über eine dreijährige Lehre, der zum Abschluss Solarmonteur/in EBA über eine zweijährige. Die Auszubildenden lernen alles, was zum Bau einer Solaranlage gehört: Montage, Installation, Wartung und Rückbau. 2024 haben alle drei Lehrjahre gleichzeitig begonnen. Denn je nach Vorbildung kann die Lehre verkürzt absolviert werden.
Solarbranche wächst enorm schnell
Die Produktion von Solarstrom nimmt sehr schnell zu, betonte Galeuchet, dieses Jahr entspreche sie bereits zehn Prozent des Jahresverbrauchs in der Schweiz. Die Solarbranche hat 1200 Mitglieder und rund 10'000 Beschäftigte, Bis 2035 rechnet Galeuchet bereits mit rund 23’000 Vollzeitstellen.
Das Solarpotenzial ist bekanntlich riesig. So sei das Tempo zu erhöhen, forderte Galeuchet. Sehr wichtig sei, die Qualität der geleisteten Arbeit aufrecht zu erhalten. Auch für ihn ist aber klar: Es braucht dringend mehr Aus- und Weiterbildung.
modellf.ch/weiterbildungsangebote