Gebäude

29.05.2024
Marcel Schöb

Ablösung Automatisierung  S7-300/400

Seit über 20 Jahren werden sie in unzähligen Gebäuden, Anlagen und Maschinen eingebaut. Die Rede ist von den Automatisierungsgeräten der Firma Siemens. Die S7-4xx- und S7-3xx-Linie wurde für fast alles eingesetzt, was es zu automatisieren gab. Nun geht ihre Ära langsam, aber sicher zu Ende.

Wir haben es eingangs bereits erwähnt: Die Automatisierungsgeräte S7-300 und S7-400 wurden in den letzten 20 – 30 Jahren für die verschiedensten Automatisierungsaufgaben eingesetzt. Von Gebäudeautomation über sämtliche möglichen Varianten im Bereich des Anlagenbaus bis hin zu Maschinensteuerungen. Auch in Fahrzeugen wurden sie schon gesichtet. 

Nun ist das Ende einer Ära in Sicht und beschlossen. Die Ablösungen laufen teilweise bereits auf Hochtouren. Ein immer grösserer Teil der Geräte laufen zwecks Weiterentwicklung seitens Hersteller sukzessive aus. Das Konzept der Firma Siemens sieht eine Verfügbarkeit nach der Abkündigung von mindestens 5 bis maximal 10 Jahren vor. Jedoch sind in diesem Zeitraum die Geräte nur gegen Austausch direkt vom Hersteller erhältlich. Im Erweiterungsfall der betroffenen Anlage ist man auf die eigenen Ersatzteile oder das Lager der Unternehmer angewiesen. Dies könnte jedoch erhöhte Investitionskosten hervorrufen. Der Support seitens Siemens wird nach dieser Frist ebenfalls eingestellt.

Die Lebenserwartung eines SPS/PLS-Systems beträgt ca. 10 – 15 Jahre. Mitte der 90er Jahre stand die Automationsbranche vor einer ähnlichen Situation. Die auslaufende S5-Linie war grösstenteils abgekündigt und die damals neue S7-Linie stand vor dem «Durchbruch» auf dem Markt. Viele Anlagenbesitzer haben damals durch den weitsichtigen Einsatz einer neuen Technologie (S7) statt der auslaufenden S5-Linie von Siemens die Lebenserwartung um einige Jahre übertroffen. Die Situation stellt sich heute wieder etwa gleich dar. Die S7-300- und 400-Familien sind zu einem grossen Teil abgekündigt. Heute wird die S7-1500-Familie eingesetzt.

 

Praxisbeispiel

Wir haben uns bereits in der ET 5/6 2020, ET 7/2021 und ET 7/2022 mit unserem Beispiel aus der Praxis beschäftigt. Damals haben wir uns den Stand der Technik dieser Anlage etwas genauer angesehen und eine kleine Auslegeordnung erstellt. Die im Einsatz stehenden Automatisierungskomponenten wurden aufgelistet inkl. der geleisteten Arbeit bzw. Einsatzdauer während 7 Tage in der Woche und das in 24 Stunden. Ebenfalls haben wir die beiden Varianten «Gesamtlösung» und «Teilersatz» angesehen bzw. beschrieben. Weiter haben wir uns mit der Planung und der Auftragsvergabe an die verschiedenen Unternehmer beschäftigt.

Mittlerweile ist wiederum etwas mehr als ein Jahr vergangen und wir wollen uns ansehen, was seitdem geschehen bzw. entschieden wurde. Die Arbeiten auf der Anlage laufen inzwischen ebenfalls.

 

Erstellung der Ausführungsunterlagen

Nachdem die Aufträge vergeben sind, kann das beauftragte Ingenieurbüro mit der Ausarbeitung der Ausführungsunterlagen beginnen bzw. die gestarteten Arbeiten abschliessen. Damit die Schemas fertiggestellt werden können, müssen sämtliche Produkte von Relais etc. bekannt sein, damit diese auch richtig im Elektroschema hinterlegt werden können. Dies ist nach der Arbeitsvergabe bzw. Unterzeichnung der Werkverträge nun der Fall.

Sämtliche Schemas sollen nach Abschluss der Arbeiten als sogenanntes «Online-Schema» im Leitsystem und deren Bedienstationen zur Verfügung stehen. Online-Schema bedeutet, dass das Schema im neuen Leitsystem als animierte Version jeweils direkt beim entsprechenden Objekt abrufbar ist. Dies erleichtert die Inbetriebsetzung und die Störungssuche.

Damit dies möglich wurde, mussten sämtliche Schemas auf dem EPLAN P8 erstellt werden. Somit mussten rund 3500 Seiten Elektroschema neu gezeichnet werden. Für die Übernahme aus dem «alten» CAD-System ins EPLAN P8 steht dem Ingenieurbüro ein entsprechender Konverter zur Verfügung, der mindestens einen Teil der Arbeit übernimmt. Trotzdem muss aber jede Seite in die Hand genommen, entsprechend angepasst und bereinigt werden. Nach Abschluss dieser Arbeiten geht das Schema speziell konvertiert und ausgelesen mit zusätzlichen Infos aus dem CAD an den Lieferanten des Leitsystems. Dieser bereitet das Schema nun so auf, dass das geforderte Online-Schema zur Verfügung steht. Diese Arbeiten stellten einen wesentlichen Teil der Ausführungsplanung dar. Die fertigen Dokumente gehen laufend an die Unternehmer, welche die Vorbereitungsarbeiten auf der Anlage vorantreiben.

 

Vorbereitungsarbeiten

Bevor die eigentliche Ablösung vor Ort starten kann, sind umfangreiche Vorbereitungen im Bereich der Elektroinstallation und in den Schaltgerätekombinationen nötig. Weiter kommt «erschwerend» hinzu, dass der damalige Ausbau und die Gesamtsanierung der Anlage in drei Etappen über total knapp 15 Jahre erfolgten. Dieser Umstand führt zwangsläufig zu angepassten bzw. unterschiedlichen Konzepten und Ausführungen in den verschiedenen Anlagenteilen der einzelnen Etappen.

Die Automatisierungsgeräte, Server und Bedienstationen des Leitsystems sind mittels eines LWL-Rings und entsprechender Switches miteinander verbunden bzw. kommunizieren über diese. In der 1. Etappe wurden damals noch LWL-Kabel mit 2 Fasern verlegt. Somit wurde der LWL-Ring durchgehend mit Kabeln mit 24 Fasern ausgebaut. In einem Teil der Anlage waren diese schon vorhanden und konnten so übernommen werden.

Durch den bereits bekannten Wechsel von Profibus DP auf Profinet musste einiges an neuen Busleitungen verlegt und auf entsprechende Netzwerkdosen aufgeschaltet werden. In den Schaltgerätekombinationen der 1. Etappe wurden dabei 19-Zoll-Rahmen nachgerüstet. In diese konnten die Kabelendverschlüsse der LWL-Kabel, die Patchpanel und etwas später die Aktivkomponenten wie Switch eingebaut werden. Dies vor allem auch, weil Ende der 90er Jahre noch keine 19-Zoll Netzwerkschränke auf Abwasserreinigungsanlagen eingebaut bzw. eingesetzt wurden. In den übrigen Schaltgerätekombinationen waren diese Rahmen bereits vorhanden und verfügten über genügend Reserven.

Die Steuerspannungen und Versorgung der einzelnen Netzwerkkomponenten und Automatisierungsgeräte wurden ebenfalls wo nötig entflechtet. Heute steht wieder pro Feld der Schaltgerätekombination eine bis zwei Zuleitungen für die Versorgung mit Steuerspannung 230 V und 24 V zur Verfügung. Dieser Umstand führte auch dazu, dass der Elektrounternehmer diverse Feldverbindungen zusätzlich zu verlegen hatte.

Innerhalb der Schaltgerätekombinationen wurden, wenn immer möglich (Platzgründe), die neuen I/O-Module eingebaut und möglichst für die Umschaltung vorbereitet. Teilweise mussten durch den Generationenwechsel der Produkte teilweise die Roste angepasst und umgebaut werden. Sämtliche Vorbereitungsarbeiten wurden unter laufendem Betrieb der Abwasserreinigungsanlage ausgeführt. Durch die guten Anlagenkenntnisse der Unternehmer sowie die vorbildliche Zusammenarbeit unter Betrieb, Planung und Unternehmer erfolgten diese Arbeiten absolut problemlos.

 

Schritt 1: Inbetriebnahme der neuen Leitebene

Während diese Vorbereitungsarbeiten auf der Anlage umgesetzt wurden, war der Leitsystemlieferant auch nicht untätig. Dieser hat sämtliche Beinstationen, Server und Aktivkomponenten für den ersten Schritt vorbereitet.

In einem ersten Schritt werden auf der Anlage die neuen Server in die 19-Zoll-Rahmen eingebaut und der neue Switch des LWL-Netzes montiert und in Betrieb genommen. Für die kommenden Umbauten ist ein funktionierendes Netzwerk inkl. sämtlicher Fernzugriffe und Alarmierungen unverzichtbar. Ebenfalls wurden die neuen Bedienstationen aufgebaut und in Betrieb genommen. Anschliessend wurden die Daten der bestehenden Anlagen gesichert und auf das neue Netzwerk «gezügelt». Nun war der Weg frei, um sämtliche Automatisierungsgeräte laufend auf das neue Netzwerk umzuschalten. Nach einer knappen Woche war die Anlage erfolgreich und unter laufendem Betrieb auf das neue Netzwerk inkl. Server und Bedienstationen umgebaut.

Ebenfalls mussten die Aussenwerke (Pumpstationen und Regenbecken) wieder eingebunden werden. Die bestehende Alarmierung wurde auf den neusten Stand gebracht und der Fernzugriff angepasst und vor allem wesentlich sicherer als bis anhin gemacht.

Der Weg für den nächsten Schritt ist frei, der anlässlich einer Besprechung von Betrieb, Planung und Unternehmer detailliert geplant und besprochen wurde.

 

Schritt 2: Umbau bzw. Ablösung

Es gilt nun die Automatisierungsgeräte abzulösen. Dabei sind nicht nur die entsprechende SPS auszuwechseln, sondern auch sämtliche I/O-Module in den verschiedenen Schaltgerätekombinationen dieses Anlagenteils auszuwechseln und die Ein- und Ausgänge zu verdrahten. Während dieser Zeit musste der jeweils betroffene Anlagenteil zwangsläufig abgeschaltet werden. Es wurde vereinbart, dass am Abend des ersten Tages alle wichtigen Prozesse wieder im Automatikbetrieb laufen müssen.

Für die erste der sieben Unterstationen wurde bewusst ein etwas weniger wichtiger Anlagenteil ausgewählt, die Strasse 1 der drei biologischen Reinigungsstrassen. So konnte ein Grossteil des Abwassers auf die beiden übrigen Strassen «umgeleitet» werden. Die abgeschaltete Anlage wurde nur noch minimal beschickt und die Biomasse in den Belüftungsbecken mittels Notbetrieb am Leben erhalten. Das heisst, die Gebläse wurden auf Hand geschaltet und so die Belüftungsbecken mit Sauerstoff versorgt. Ebenfalls wurden mittels Handschalter die benötigten Armaturen geöffnet oder geschlossen. Die Sauerstoffwerte konnten am Messumformer vor Ort abgelesen und bei Bedarf von Hand nachgeregelt werden. Nachfolgend der festgelegte Tagesplan:

07.00 Uhr Eintreffen aller Beteiligten auf der Anlage. Der Leitsystemlieferant sichert die aktuellen Daten über Fernwartung und gibt grünes Licht für die Abschaltung.

07.15 Uhr Nachdem der Betrieb die Anlage für die Anlage vorbereitet hat, wird der «Stecker gezogen». Unmittelbar danach beginnen die Umbau- und Umverdrahtungsarbeiten an den Steuergeräten (SPS), Profinetswitch und I/O-Modulen. Ebenfalls werden die Profinet-Netzwerkverbindungen fertiggestellt. Der Unternehmer der Schaltgerätekombinationen hat dabei genügend Personal auf die Anlage beordert.

10.00 Uhr Der Leitsystemlieferant trifft auf der Anlage ein. Die Umbauarbeiten sind bereits so weit fortgeschritten, damit kurz danach die Inbetriebsetzungsarbeiten am Profinet-Netzwerk beginnen können.

12.00 Uhr Alle Beteiligten gönnen sich eine Mittagspause, bevor kurz vor 13 Uhr die Inbetriebsetzung der ersten Datenpunkte startet. Sämtliche Datenpunkte werden getestet und anschliessend in Betrieb genommen.

18.00 Uhr Die Arbeiten sind planmässig vorangekommen und die Anlage läuft +/– wieder auf Automatikbetrieb. Die ersten Unternehmer können die Anlage verlassen.

22.00 Uhr Nun haben der Leitsystemlieferant und der Betrieb auch die letzten Differenzen und Probleme gefunden und behoben – es ist Feierabend.

Am Folgetag wird auf Seiten Leitsystemlieferant das Finish gemacht, während die Unternehmer nicht mehr benötigte Geräte inkl. Verdrahtung aus den Schaltgerätekombinationen rückbauen. Der Elektriker entfernt die nicht mehr benötigten Profibus-DP-Leitungen aus den Schaltgerätekombinationen und den Kanaltrassen. Bis Mitte Woche kann die Aktion an der ersten Station als abgeschlossen taxiert werden.

In den kommenden Wochen folgen die beiden anderen Biologiestrassen mit gleichem Vorgehen. Wie immer in solchen Fällen profitieren alle von der Wiederholung und sind bei jeder Station noch etwas schneller und die Arbeiten laufen noch reibungsloser.

 

Ausblick

Nun steht die Crew vor der grössten Herausforderung. Die nächste Verteilung ist zugleich die grösste mit den meisten angeschlossenen Peripheriekästen. Diese kann unmöglich an einem Tag umgebaut werden. So gilt es nun, die Erfahrungen und die Rahmenbedingungen in das Programm einzuarbeiten. Diese Arbeiten laufen zurzeit. ET wird bei dieser Aktion vor Ort anwesend sein, begleiten und anschliessend an dieser Stelle darüber berichten.

 

Fazit

Wie im obigen Beispiel beschrieben, ist eine Umsetzung eines solchen Projektes nicht einfach von heute auf morgen machbar. Dies bedingt eine vorausschauende Planung (inkl. Finanzplanung) des Bauherrn. Es gilt, die Situation auf dem Markt zu beurteilen und die nötigen Schritte einzuleiten bzw. Finanzen in der Planung zu reservieren. Hier werden die Bauherren tatkräftig von ihren Partnern in der Planung unterstützt. Der EMSRL-Ingenieur dieser Anlage hat den Bauherrn bereits vor rund 3 Jahren auf die Problematik aufmerksam gemacht, was schliesslich auch die erste Studie ausgelöst hat. Mittlerweile sind alle Aufträge vergeben und die ersten Anlagenteile umgebaut. Nach Abschluss der Ablösung wird die Anlage im Bereich der Automatisierung wieder 10–15 Jahre fit sein. Wir sind gespannt, wie es weitergeht, und bleiben am Projekt dran.


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