Eisspeicher
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Abbildung 1: Prototyp eines Eisslurry-Speichers: Links der Kristallisator, rechts der Speichertank. Der Supercooler ist in der Mitte erkennbar: das blaugraue, horizontal gelagerte Teil zwischen den schwarzen, isolierten Rohren. (Bilder: zVg)

08.11.2024
Dr. Benedikt Vogel

Energiespeicherung mittels Eisbrei

Eisspeicher haben ein grosses Potential zur Bereitstellung bzw. Zwischenspeicherung von Wärme und Kälte. Sie können in Wohngebäuden, aber auch in der Industrie für Kühl- und Heizzwecke eingesetzt werden. Damit Eisspeicher vermehrt Anwendung finden, müssen sie kostengünstiger und flexibler einsetzbar werden. Mit diesem Ziel arbeiten Forscher der Ostschweizer Fachhochschule an einem neuen Speicherkonzept, das eine Phasenwechsel-Slurry – also einem Eisbrei aus Wasser und Eiskristallen – nutzt.

Das energetische Speicherpotential von Eisspeichern beruht auf der latenten Wärme, die beim Phasenwechsel von Wasser zu Eis freigesetzt wird. Die heute gebräuchlichen Speicher bestehen aus einem Wassertank, in den ein Wärmetauscherrohr eingelassen ist, das von einem Frostschutzmittel durchströmt wird. Das Frostschutzmittel entzieht dem Wasser Wärme. Diese kann über eine Wärmepumpe für die Bereitstellung von Heizwärme und Warmwasser genutzt werden. Durch den Wärmeentzug bildet sich auf der Oberfläche der Wärmetauscherrohre eine Eisschicht. Diese schmilzt, wenn der Eisspeicher neu mit Wärme – z.B. aus Solarkollektoren – beladen wird. Eisspeicher lassen sich – werden sie gegenläufig betrieben – auch für die Bereitstellung von Kälte nutzen.

Der Aufbau von konventionellen Eisspeichern ist bestechend einfach, sie kommen ohne bewegliche Teile aus. Allerdings sind die Wärmetauscherrohre teuer. Zudem wirkt die auf der Oberfläche der Wärmetauscherrohre wachsende Eisschicht als thermischer Isolator: Sie hemmt den Wärme- bzw. Kälteübergang zwischen Frostschutzmittel und Tank und vermindert damit die Effizienz des Speichers. Diese Nachteile möchte ein Team aus Wissenschaftlern der Ostschweizer Fachhochschule durch Nutzung einer Phasenwechsel-Slurry ausmerzen. Slurry bezeichnet in diesem Fall einen Brei aus Wasser und ca. 0,5 bis 1 cm grossen Kristallen. Beim Eisslurry-Speicher entsteht nach dem Wärmeentzug also nicht festes Eis, sondern ein Eisbrei.

 

Aus unterkühltem Wasser wird Eisbrei

Eisslurry-Speicher sind anders aufgebaut als herkömmliche Eisspeicher. Wissenschaftler des Instituts für Solartechnik SPF der OST arbeiten seit bald 10 Jahren an einem Konzept. 2017 legte eine Gruppe um Daniel Carbonell eine Machbarkeitsstudie vor. In den BFE-finanzierten Projekten SlurryStore (2020 bis 2023) und ModIceCrys (2022 bis 2027) wurde bzw. wird der Eisslurry-Speicher nun experimentell und mit numerischer Modellierung erforscht. 2023 schätzte OST-Wissenschaftler Ignacio Gurruchaga das Kostensenkungspotential (CAPEX) des neuartigen Eisbrei-Speichers bei Einbau in ein solares Energiesystem auf 14 bis 17% (bezogen auf den Standort Zürich; im Vergleich zu einem herkömmlichen Solar-Eis System).

Die Hauptkomponenten sind ein Supercooler, ein Kristallisator und ein Speichertank (vgl. Abb. 2): Der Supercooler (auch: Unterkühlungswärmetauscher) entzieht dem einströmenden Wasser Wärme und kühlt dieses auf bis zu -2 °C ab. Das Wasser ist nun 'unterkühlt', das heisst, seine Temperatur liegt unter dem Schmelzpunkt, es ist aber weiterhin flüssig. Das unterkühlte Wasser strömt in einen Kristallisator, der es in einen 0-grädigen Eisbrei verwandelt (hier findet der Phasenwechsel von Wasser zu Eis statt, dies ohne Abgabe oder Aufnahme von externer Wärme). Der Eisbrei kann anschliessend in einem thermisch isolierten Tank gelagert und dort – beispielsweise durch Zuführung von Solarwärme – in Wasser rückverwandelt werden.

Abbildung 2: Der Eisslurry-Speicher besteht aus einem a) Eisbrei-Speichertank, b) einer Pumpe zur Förderung des unterkühlten flüssigen Wassers und des anschliessend erzeugten Eisbreis, c) einem Vorwärmer, d) einem Unterkühlungswärmetauscher («Supercooler») und e) einem strömungsbasierten Kristallisator.

Abbildung 2: Der Eisslurry-Speicher besteht aus einem a) Eisbrei-Speichertank, b) einer Pumpe zur Förderung des unterkühlten flüssigen Wassers und des anschliessend erzeugten Eisbreis, c) einem Vorwärmer, d) einem Unterkühlungswärmetauscher («Supercooler») und e) einem strömungsbasierten Kristallisator.

Abbildung 3: Schema eines an der OST entwickelten Kristallisators: Von links strömt das unterkühlte Wasser ein und wird durch Kavitation (erzeugt mittels Ultraschallgerät) zur Keimbildung angeregt, wodurch sich Eiskristalle bilden. Diese setzen sich an den Wänden fest und dienen als Nukleationskeime für einen kontinuierlichen Kristallisationsprozess. Stromabwärts wachsen die Eispartikel an und werden weggespült, sobald sie eine gewisse Grösse erreichen. Um das Eiswachstum zu beschleunigen und Verklumpungen aufzubrechen, wird im Prototypen des Kristallisators 0,3-grädiges Wasser eingespritzt. Eine Warmwasser-Schranke sorgt dafür, dass keine Eiskristalle stromaufwärts wandern und den Supercooler vereisen.

Abbildung 3: Schema eines an der OST entwickelten Kristallisators: Von links strömt das unterkühlte Wasser ein und wird durch Kavitation (erzeugt mittels Ultraschallgerät) zur Keimbildung angeregt, wodurch sich Eiskristalle bilden. Diese setzen sich an den Wänden fest und dienen als Nukleationskeime für einen kontinuierlichen Kristallisationsprozess. Stromabwärts wachsen die Eispartikel an und werden weggespült, sobald sie eine gewisse Grösse erreichen. Um das Eiswachstum zu beschleunigen und Verklumpungen aufzubrechen, wird im Prototypen des Kristallisators 0,3-grädiges Wasser eingespritzt. Eine Warmwasser-Schranke sorgt dafür, dass keine Eiskristalle stromaufwärts wandern und den Supercooler vereisen.

Abbildung 4: Die beiden Grafiken zeigen die Eisbildung (oben) und die Temperaturentwicklung (unten) im Speichertank in einem 65-Stunden-Versuch. In den ersten 28 Stunden wurde der Speicher mit 0-grädigem Eisbrei beladen; in der Folge wuchs die Eismenge im Speicher, die Temperatur verharrte auf 0 °C. Ab Stunde 28 wurde der Speicher entladen, indem ihm Wärme zugeführt wurde. Die Wärme wird dem Speicher von unten zugeführt. Die rote Linie zeigt den Wärmeverlauf ganz unten im Speicher, die hellblaue Linie den Wärmeverlauf ganz oben.

Abbildung 4: Die beiden Grafiken zeigen die Eisbildung (oben) und die Temperaturentwicklung (unten) im Speichertank in einem 65-Stunden-Versuch. In den ersten 28 Stunden wurde der Speicher mit 0-grädigem Eisbrei beladen; in der Folge wuchs die Eismenge im Speicher, die Temperatur verharrte auf 0 °C. Ab Stunde 28 wurde der Speicher entladen, indem ihm Wärme zugeführt wurde. Die Wärme wird dem Speicher von unten zugeführt. Die rote Linie zeigt den Wärmeverlauf ganz unten im Speicher, die hellblaue Linie den Wärmeverlauf ganz oben.

Prototyp des Eisslurry-Speichers

Der Bau eines Eisslurry-Speichers hält eine Reihe von technischen Herausforderungen bereit. Im Projekt SlurryStore erreichte das OST-Team mehrere Ziele, die Zwischenschritte zu einem voll funktionsfähigen Speicher darstellen: Es wurde ein erster Kristallisator gebaut, der während 24 h in einem kontinuierlichen Prozess Eisbrei mit einer Masse von insgesamt 70 kg herstellte. Die Leistung des Kristallisators (die im unterkühlten Wasser gespeicherte Kältenergie) betrug 560 Watt, seine Effizienz 60%. Auf diese Weise konnte der Tank mit bis zu 12% Eisbrei befüllt werden. Das Projektziel von 50% wurde verfehlt – unter anderem wegen der unzureichenden Leistung des Kristallisators und weil beim Befüllen des Speichertanks Verstopfungen durch Eisbrei auftraten.

Projektleiterin Ann-Katrin Thamm zieht trotzdem eine positive Bilanz: «Mit dem Prototyp aus dem SlurryStore-Projekt konnten wir das Prinzip eines Eisslurry-Speichers erfolgreich demonstrieren, die kontinuierliche Speicherladung (Vereisen) ebenso wie die Speicherentladung (Enteisen).»

Seit Abschluss von SlurryStore wurde der Speicher nochmals optimiert. Durch Verbesserung des Mischverhaltens im Kristallisator, das die Eiskristallbildung unterstützt (Jet-Mixer), konnten die Leistung auf 1,7 kW und die Effizienz auf 77% gesteigert werden. Im aktuell laufenden ModIceCrys-Projekt wird unter Einsatz von numerischen Modellierungen nun ein Kristallisator entwickelt, der auf einem neuen Funktionsprinzip beruht und eine Skalierung des Eisslurry-Speichers auf höhere Leistungen ermöglichen soll. Die Leistung soll in den nächsten Schritten auf 10 bzw. 20 kW angehoben werden. Für Anwendungen im Wohnsektor werden Leistungen von 50 bis 100 kW benötigt, für industrielle Kühllösungen 100 kW und mehr.

Forschungsbedarf besteht ferner beim Speichertank: Dieser muss so konstruiert werden, dass die (festen) Eiskristalle vom (flüssigen) Wasser getrennt werden, bevor letzteres in den Supercooler gepumpt wird. Es dürfen nämlich keine Eiskristalle in den Supercooler gelangen, weil das unterkühlte Wasser sonst sofort (also noch im Supercooler) zu Eis kristallisieren würde. Die verschiedenen Herausforderungen wollen die OST-Forscher unter anderem durch geeignete Design- und Materialwahl meistern.

 

Eine neue Generation von Eisspeichern

Ann-Katrin Thamm blickt optimistisch in die Zukunft: «Wir hoffen, in den nächsten drei bis vier Jahren einen einsatztauglichen Eisslurry-Speicher bauen zu können. Dank seiner tieferen Investitionskosten wäre er den heute gebräuchlichen Eisspeichern mit Wärmetauscherrohren überlegen und könnte diese mittelfristig ablösen.»

Ihr OST-Kollege Ignacio Gurruchaga, der im Eisslurry-Projekt mitarbeitet, sieht einen weiteren Vorteil im Umstand, dass sich der Speichertank in einem Haus an einem beliebigen Ort unterbringen lässt, also sehr flexibel wäre. Der Eisbrei könne durch Rohrleitungen verteilt werden, betont Gurruchaga. Dadurch könnten neuartige Wärme- und Kältelösungen in Arealnetzen möglich werden.

 

https://www.aramis.admin.ch/Grunddaten/?ProjectID=47202

https://www.aramis.admin.ch/Grunddaten/?ProjectID=51652

www.bfe.admin.ch/ec-solar

 


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