Trinkwasserhygiene

Gut vorbereitet: Bei einer Wohnüberbauung in Emmen LU ist der Probenentnahmehahn bereits eingebaut. (Bilder: M.Staub)

05.07.2024
Michael Staub

Hartnäckige, ungebetene Gäste

Nach einer umfassenden Überarbeitung der Regelwerke und zahlreichen Empfehlungen für die Praxis schien das Thema Legionellen eigentlich genügend dokumentiert. Doch immer wieder gibt es neue Fälle, und mit der Umsetzung harzt es zuweilen. Woran liegt das?

«Nicht schon wieder», seufzt so mancher Sanitärplaner oder Installateur, wenn man ihn auf das Thema Legionellen anspricht. In den letzten Jahren wurden die gefährlichen Krankheitserreger mit seltener Gründlichkeit zum Thema gemacht. Von der richtigen Planung und Auslegung der Warmwasseraufbereitung über die richtige Kontrolle bestehender Einrichtungen bis hin zu speziellen Weiterbildungsangeboten wurde kaum ein Aspekt ausgelassen. Beim Fokus auf technische Vorgaben und deren Umsetzung geht gerne vergessen, dass jeder «Fall» einen Menschen betrifft. «Die Legionärskrankheit ist eine Lungenentzündung. Die Symptome sind täuschend ähnlich wie bei einer Covid-Erkrankung. Der Unterschied besteht aber darin, dass eine Legionärskrankheit mehr als 5-mal häufiger tödlich verläuft», sagt Daniel Mäusezahl. Er ist Epidemiologe und arbeitet im Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut in Allschwil. Seit einigen Jahren untersucht er die Legionellen-Fallzahlen im Detail und hat dabei interessante Zusammenhänge entdeckt.

 

Viele Fälle

Wenn jemand eine schwere Legionellenerkrankung durchgemacht habe und die Bakterien auch in der eigenen Installation gefunden worden seien, habe das häufig bedrückende Folgen, berichtet Daniel Mäusezahl: «Solche Patienten haben grosse Schwierigkeiten, wieder unter die Dusche zu stehen.  Oft entfremden sie sich auch von ihrer Wohnung. Das vertraute Umfeld kann auf einmal als bedrohlich wahrgenommen werden.» Wenn Sanitärplaner und -installateure der Legionellenprävention also genügend Aufmerksamkeit widmen, erfüllen sie nicht nur die gesetzlichen Vorgaben. Sie helfen auch, andere vor einem äusserst unschönen Schicksal zu bewahren. Und trotzdem zeigt ein Blick in die Tagespresse, dass Legionellen mit unangenehmer Hartnäckigkeit auftreten.

Im Januar 2024 meldete etwa das Amt für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit des Kantons Glarus, dass man im Jahr 2023 total 133 Duschwasserproben aus den Kantonen Glarus und Graubünden auf Legionellen untersucht habe. 11% davon überstiegen den Grenzwert um das bis zu 9-Fache. Bei zwei Betrieben wurde eine sofortige Duschensanierung verfügt. Im Februar 2024 folgte eine Mitteilung des Kantonalen Labororatoriums Basel-Stadt. Bei 16 Wasserproben, die im Umfeld von sechs an Legionellose erkrankten Personen erhoben wurden, konnten Legionellen nachgewiesen werden. Die betroffenen Unternehmen respektive Liegenschaftsverwaltungen wurden vom Kantonsärztlichen Dienst informiert und müssen nun ihre Trinkwasserinstallationen sanieren.

Ebenfalls im Februar 2024 berichtete der «Blick» über gravierende Legionellenprobleme in der Wohnüberbauung Stockenhof in Regensdorf ZH. Laut dem Zeitungsbericht waren bereits beim Bezug der Neubausiedlung im Oktober 2023 an sämtlichen Wasserhahnen Filter montiert, die normalerweise in medizinischen Einrichtungen zum Einsatz kommen. Der Grund: Ein grossflächiger Legionellenbefall, der gemäss «Blick» auch Ende April 2024 noch nicht klar lokalisiert und damit auch nicht behoben war. Pikant: Legionellenprobleme werden gedanklich meist mit Bestandesbauten verbunden, nicht aber mit Neubauten. Denn bei diesen wird, zumindest in der Theorie, das Problem von Anfang an angepackt. Hygienische Verpackungen für Rohre und Formstücke, sauberes Arbeiten auf der Baustelle und nicht zuletzt das Einhalten der 72-Stunden-Regel sollten garantieren, dass keine Probleme auftreten.

Schlecht umgesetzt: Dieser Warmwasserspeicher in Zürich erreicht die verlangte Mindesttemperatur von 60 Grad Celsius nicht.

Schlecht umgesetzt: Dieser Warmwasserspeicher in Zürich erreicht die verlangte Mindesttemperatur von 60 Grad Celsius nicht.

Problemzone Neubau

Die erwähnten Fälle sind die Spitze des Eisbergs. Ein Legionellenbefall der Trinkwasserinstallation wird in der Regel erst erkannt, wenn es Krankheitsfälle gibt, die auf eine Legionellose hindeuten. Die milde Form der Legionärskrankheit, das sogenannte Pontiac-Fieber, kompliziert diese Diagnose. Denn seine Symptome ähneln einer normalen Grippe, und es tritt ungefähr 10- bis 100-mal häufiger auf als der schwere Verlauf der Legionellose, die Legionärskrankheit. Das Pontiac-Fieber zu diagnostizieren, ist allerdings sehr kompliziert, aufwendig und teuer, deshalb wird es kaum gemacht. In der Krankheitsstatistik wird nur die Erkrankung an einer Lungenentzündung (also die Legionärskrankheit) erfasst. Doch auch diese steigen seit einigen Jahren merkbar an. «Dieser Anstieg ist ein weltweiter Trend. Nur während der Corona-Zeit sanken die Zahlen vorübergehend, weil persönliche Kontakte und Reisetätigkeit durch die Lockdowns eingeschränkt waren» sagt Daniel Mäusezahl.

Doch wie kommt es, dass bei erkanntem Legionellenbefall häufig neue Bauten betroffen sind? Dem Vernehmen nach ist das Thema Trinkwasserhygiene noch nicht bei allen Architekten angekommen. Früher wurden Gebäude mit fixen Steigzonen geplant und gebaut. Dadurch ergab sich automatisch eine Konzentration der Nasszellen um diese Steigzonen. Die Leitungswege waren kurz, der Platz für die Rohrleitungen war vorhanden. Heute hat sich das Bauen dramatisch verändert: Oft muss die Gebäudetechnik um jeden einzelnen Quadratmeter kämpfen, und nicht selten werden Trinkwasserinstallationen und Heizungs-, Warmwasser- oder andere technische Anlagen für denselben Raum vorgesehen.

Die flexiblen Rohrleitungssysteme aus Kunststoff sind aus Sicht mancher Spezialisten ebenfalls ein Ärgernis. Denn nun müssen Kalt- oder Warmwasserleitungen nicht mehr einer bestimmten Topologie folgen, sondern können schon fast nach Belieben gezogen werden. Die Folge sind häufig überlange Leitungswege, ungünstige Anordnungen von Kalt- und Warmwasser und unnötige Zapfstellen. Verschärft werden diese Probleme durch das Einlegen von Trinkwasserleitungen in Unterböden, die auch eine Fussbodenheizung beherbergen oder die unzureichende thermische Trennung.

 

Umdenken nötig

Einmal gebaut, sind solche Situationen nur sehr schwer zu beheben. Insbesondere bei Entnahmestellen, die im Alltag nicht genutzt werden, kann der Betrieb mühsam werden. Regelmässiges Spülen, sei es manuell oder mit Automaten, ist eine ebenso unbefriedigende «Lösung» wie der nachträgliche Rückbau von Zapfstellen. Klar ist deshalb, dass es mehr Austausch zwischen Architektur, Eigentümerschaft, Fachplanung und Gebäudebetreiber braucht. Und zwar nicht nach der Inbetriebnahme eines Gebäudes, sondern bereits viel früher, in der Planungsphase.

Damit Planer, Berater und Installateure für diesen Mehraufwand bezahlt werden, braucht es entsprechend angepasste Ausschreibungen. Zu diesen wird es kommen, wenn die auf der Bauherrenseite leider noch ab und zu anzutreffende Einstellung «Der Billigste ist der Beste» aufgegeben wird.

 

Der vollständige Beitrag ist in p+i 04/24 erschienen


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