Bau- und Energiewirtschaft

Bildungsoffensive Gebäude, Teil 5: Frauen in der Bau-/Gebäudebranche

22.11.2023
Nicolas Gattlen / PW

Junge Frauen: Kaum angesprochen

Händeringend sucht die Gebäudebranche nach Fachkräften. Noch weitgehend ungenutzt ist das Potenzial der Frauen. Wie lassen sich mehr Frauen für die Branche gewinnen – und länger darin halten? Drei Kaderfrauen geben Einblick in ihre Erfahrungen und Strategien.

«Frauen sind in der Gebäudebranche stark untervertreten», sagt Bianca Schmidt, «vor allem in leitenden Positionen und beim Handwerk, etwas besser siehts in der Planung aus». Schmidt ist Geschäftsführerin und Inhaberin der Gebäudetechnik-Firma Schmidt AG mit Sitz in Luzern – eine von wenigen Unternehmerinnen in der Branche. «Das fällt schon auf», sagt sie, «aber ich denke, es ist ein Alleinstellungsmerkmal, das unserer Firma zu Gute kommt. Wir senden ein Signal aus, das hilft, weibliche Fachkräfte und Lernende zu gewinnen.» Bianca Schmidt ist überzeugt, dass sich Frauen tendenziell eher bei Firmen bewerben, die von einer Frau oder einem gemischten Führungsgremium geleitet werden.

 

Zu wenig Muskelkraft?
In den Stelleninseraten lässt Schmidt nicht explizit nach weiblichen Fachkräften suchen. Bei ihr seien alle Bewerbungen willkommen, sagt sie. Dennoch freut sie sich, wenn Frauen in ihrer Branche Fuss fassen wollen. Erst jüngst stellte sie eine Projektleiterin und eine Servicetechnikerin ein, dazu eine junge Frau, die sich zur Sanitärinstallateurin ausbildet. «Die geringere Muskelkraft sollte kein Grund sein, um eine Frauenbewerbung abzulehnen», sagt Schmidt. «Einen 300-Liter-Boiler kann auch ein Mann nicht allein versetzen. Aber im Team geht das. Wenn man gewillt und flexibel ist, findet man Lösungen.» Das gelte auch für die Arbeitszeiten: Die Schmidt AG biete Teilzeitarbeit und flexible Arbeitszeitmodelle an, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern. Bianca Schmidt sorgt zudem dafür, dass in ihrem Unternehmen eine Zusammenarbeitskultur gelebt wird, in der sich auch Frauen wohlfühlen.
Das ist nicht überall so. Petra Nöthiger, gelernte Gebäudetechnikplanerin und heute Gesamtprojektleiterin beim Ingenieurbüro Amstein + Walthert, hat während ihrer Laufbahn oft erlebt, wie Frauen diskriminiert werden. Ein Beispiel: «Man fragt die einzige Frau an einer Sitzung, ob sie das Protokoll übernehmen könne». Oft werde gar nicht absichtlich diskriminiert, sagt sie. Viele Männer würden die Probleme und die Hürden, die den Frauen im Weg stehen, gar nicht wahrnehmen. Deshalb fordert sie von den Verantwortlichen Sensibilisierungsmassnahmen und Schulungen für männliche Mitarbeiter. In den grossen Tech- und Pharmaunternehmen werde das längst umgesetzt.

Bianca Schmidt, Inhaberin und Geschäftsführerin Schmidt AG: Die geringere Muskelkraft sollte kein Grund sein, um eine Frauenbewerbung abzulehnen. Einen 300-Liter-Boiler kann auch ein Mann nicht alleine versetzen. Aber im Team geht das.

Bianca Schmidt, Inhaberin und Geschäftsführerin Schmidt AG: Die geringere Muskelkraft sollte kein Grund sein, um eine Frauenbewerbung abzulehnen. Einen 300-Liter-Boiler kann auch ein Mann nicht alleine versetzen. Aber im Team geht das.

Petra Nöthiger, Gesamtprojektleiterin beim Ingenieurbüro Amstein + Walthert: Viele Unternehmen und Verbände stellen über Maskulin-Formulierungen und

Petra Nöthiger, Gesamtprojektleiterin beim Ingenieurbüro Amstein + Walthert: Viele Unternehmen und Verbände stellen über Maskulin-Formulierungen und "männerlastige" Bilder ihre Berufe noch immer als "Männerberufe" und die Arbeit als "Männerarbeit" dar.

Monika Zemp, Geschäftsführerin Hunziker Partner AG: Gemischte Teams führen zu mehr Innovation, besseren Leistungen und einer besseren Kommunikation.

Monika Zemp, Geschäftsführerin Hunziker Partner AG: Gemischte Teams führen zu mehr Innovation, besseren Leistungen und einer besseren Kommunikation.

Die Kraft der Bilder
Petra Nöthiger weist auch auf die oft ausgrenzende Aussen-Kommunikation hin: Viele Unternehmen und Verbände würden über Maskulin-Formulierungen und «männerlastige» Bilder ihre Berufe noch immer als «Männerberufe» und die Arbeit als «Männerarbeit» darstellen. Mädchen und Frauen fühlten sich kaum angesprochen. Überhaupt müsse noch viel getan werden, um junge Mädchen für die Bau- branche zu begeistern. So sei beispielsweise an der Baugewerblichen Berufsschule Zürich in diesem Jahr erstmals ein «Zukunftstag» für Mädchen organisiert worden.
Monika Zemp, Geschäftsführerin des Haustechnik-Unternehmens Hunziker Partner aus Winterthur, weiss um die Kraft der Bilder: «Wir achten bei jedem Beitrag darauf, dass die Diversität unseres Unternehmens abgebildet ist», sagt sie. Auch rücke man bewusst innovative Technologien und Werkzeuge ins Bild, um das Interesse von jungen Frauen zu wecken.  

 

Gemischte Teams bieten viele Vorteile
Mit den Frauen würde die Branche nicht nur zusätzliche Fachkräfte gewinnen, erklärt Monika Zemp: «Gemischte Teams führen zu mehr Innovation, besseren Leistungen und einer besseren Kommunikation.» Gerade auf den Baustellen liesse sich durch eine gute Kommunikation die Motivation fördern und die Leistungen verbessern. Der oft raue Ton schrecke im Übrigen nicht nur Frauen ab, sondern auch jüngere Männer.
Dringend zu verbessern seien zudem die vielfach ungenügenden hygienischen Bedingungen, erklärt Firmenchefin Zemp. «Die Verantwortlichen müssen dafür sorgen, dass es auf den Baustellen saubere Toiletten gibt». Eine aktuelle Studie der Gewerkschaft Unia stützt diesen Befund: Demnach ist für 73% der 300 befragten Frauen in Bauberufen die fehlende Sauberkeit von Toiletten und das Manko an fliessendem Wasser sowie an Abfalleimern für Tampons und Binden ein zentrales Problem.

 

Netzwerke für Frauen
Das Thema Toiletten sorgt auch im «Handwerknetz» immer wieder für Diskussionen. Das Netzwerk wurde 2022 auf Initiative der jungen Handwerkerin Sandra Fischer und der Fachstelle Gleichstellung des Kantons Zürich lanciert. Es bietet Handwerkerinnen die Möglichkeit, sich im Raum Winterthur-Zürich zu treffen und auszutauschen. «Viele Frauen erleben die gleichen Problematiken in ihrem Arbeitsumfeld», erklärt Sandra Fischer. «Darüber tauschen wir uns aus. Wir wollen den Frauen zeigen, dass sie mit ihren Themen nicht allein sind und ihnen Mut machen, weiter im Beruf zu arbeiten». Das Netzwerk richte sich aber auch an Berufseinsteigerinnen und Mädchen, die einen handwerklichen Beruf ins Auge fassen.
Noch sind Handwerkerinnen-Netzwerke rar, weil die Verbände kaum welche initiieren. Besser vernetzt sind die Planerinnen und Ingenieurinnen. Der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein sia hat mit dem Projekt «Frau und sia» bereits 2004 eine Denkwerkstatt für Gender-Fragen und Diversität geschaffen und das Projekt 2014 in ein Netzwerk mit sechs Regionalgruppen überführt. Ziel ist es, «Mädchen für technische Berufe zu begeistern, berufstätige Frauen untereinander zu vernetzen und das Bewusstsein für die Gleichwertigkeit von Frau und Mann in der Arbeitswelt zu schärfen». (frau.sia.ch)

 

Vorbilder sind wichtig
Monika Zemp findet es «wichtig, dass sich die ‚Baufrauen‘ austauschen, auch über ihre Branche hinaus». Diese Zusammenkünfte böten die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen, inspirierende Frauen in Führungspositionen kennenzulernen und persönlich zu wachsen. «Im Unterschied zu den Männern definieren sich Frauen in der Regel nicht so stark oder gar ausschliesslich über ihren Arbeitsstatus», erklärt Zemp. «Sie drängen sich deshalb weniger für Führungsaufgaben auf. Wir haben jedenfalls grosse Mühe, Kaderpositionen mit Frauen zu besetzen und versuchen, qualifizierte Mitarbeiterinnen mit einem motivierenden Gespräch hochzuschubsen».


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