Intelligente Strassenbeleuchtung
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07.01.2025
Erik Brühlmann

Strom sparen, Komfort erhöhen

Intelligente Strassenbeleuchtungen nutzen den Spielraum zwischen Ein und Aus, um maximale Energieeffizienz zu erreichen. Aber sie bringen auch nicht zu unterschätzende Vorteile für Mensch und Tier.

Im Gegensatz zu vielen Tieren ist der Mensch im Dunkeln ohne künstliches Licht ziemlich aufgeschmissen. Strassenbeleuchtungen sorgen dafür, dass Autofahrer, Velofahrer und Fussgänger trotzdem sicher von A nach B kommen können. Und das benötigt weit weniger Energie, als man vielleicht annimmt. Die Schweizerische Elektrizitätsstatistik 2023 des Bundesamts für Energie BFE weist für die öffentliche Beleuchtung einen Energieverbrauch von 280 GWh aus – ein Klacks verglichen mit den 19'218 GWh Energie, die in den privaten Haushalten im selben Zeitraum verbraucht wurden.

 

Effizienz durch LED

Dennoch sind die Bemühungen gross, den Energieverbrauch zu reduzieren. Mit Erfolg, wie ein Blick auf die Statistiken zeigt. Obwohl in den vergangenen Jahren immer mehr öffentliche Lichtpunkte installiert wurden, konnte der Energieverbrauch seit 2004 beinahe halbiert werden. Wie geht das? «Noch am Anfang dieses Jahrtausends waren Natriumdampf-Hochdrucklampen bei Strassenbeleuchtungen der Standard», erklärt Jörg Haller, Abteilungsleiter öffentliche Beleuchtung und Smart-City bei den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich (EKZ) und Mitglied der IG Strassenlicht. In den 2010er-Jahren brachten LED-Leuchtmittel enorme Effizienzsteigerungen mit sich. «Allein die Umrüstung auf LED spart im Schnitt rund 70 Prozent Energie», sagt der Experte. Eine der ersten LED-Lampen im öffentlichen Raum wurde 2009 in Rüschlikon ZH installiert; mittlerweile werden bei neuen Installationen und Sanierungen fast ausschliesslich LED-Leuchtmittel eingesetzt. Dies auch, weil LED-Leuchtmittel als robuster und langlebiger gelten als ihre Vorgänger, was die Wartungskosten senkt. Zudem werden ältere Leuchtmittel nach und nach aus dem Verkehr gezogen.

 

Mehr als Ein und Aus

LED-Leuchtmittel haben einen weiteren Vorteil: Sie sind dimmbar. Bis vor Kurzem kannte die typische Strassenbeleuchtung vor allem zwei Modi, Ein und Aus. Um unnötige Strassenbeleuchtungen zu vermeiden, sind deshalb schon seit Jahren viele Gemeinden zu Nachtabschaltungen übergegangen. Dies ist, wie die Erfahrung zeigt, ohne Abstriche hinsichtlich der Sicherheit möglich, solang die individuellen Gegebenheiten am jeweiligen Standort berücksichtigt werden. «Es findet jetzt aber ein Wandel statt», weiss Jörg Haller, «der durch den technischen Fortschritt ermöglicht wurde.» Immer öfter werden Strassenbeleuchtungen nämlich zusätzlich mit Steuerungen versehen, die während der Betriebszeit die Lichtmenge je nach Bedarf regulieren. Dank ihnen kann man je nach Szenario im Betrieb zusätzlich Energie einsparen. Was dies auf der finanziellen Seite konkret bedeutet, lässt sich nicht generell beziffern. Diese Berechnungen müssen einzeln für die jeweilige Anlage vorgenommen werden.

 

Schonend für Mensch und Tier

Smarte, steuerbare Strassenbeleuchtungen haben aber auch Vorteile, die über messbare Faktoren hinaus gehen. Denn für die Tierwelt sind übermässige und nicht zweckdienliche Lichtemissionen alles andere als ein Segen. So können zum Beispiel bei Dunst und Nebel über Siedlungsgebieten Lichtglocken entstehen, die Zugvögel verwirren können. Nachtaktive Tiere können in ihrem natürlichen Verhalten eingeschränkt werden. Und was Licht für Insekten bedeutet, weiss jeder, der im Sommer mit einer Lampe am Gartentisch sitzt. «Meiner Meinung nach sind diese Überlegungen sogar wichtiger, als noch einige Einsparungsprozente über Steuerungen einzufahren», findet Jörg Haller. Es gehe aber nicht nur um die Fauna, sondern auch um den Menschen. Denn nicht einfach die Nacht zum Tag zu machen, sondern die Lichtemissionen den Lebensgewohnheiten der Menschen anzupassen, erhöhe den Komfort beträchtlich. So können sich zum Beispiel Anwohner durch Licht, das die ganze Nacht in ihre Wohnungen dringt, gestört fühlen.

 

Verschiedene Steuerungsarten

Die technischen Voraussetzungen für smarte Strassenbeleuchtungen sind mittlerweile dank Standardisierung vergleichsweise gering. Jörg Haller: «Es braucht ein LED-Leuchtmittel und eine Steuerung.» Von diesen gibt es im Wesentlichen zwei Arten. Man kann ein Zeitprofil hinterlegen, nach dem die Strassenbeleuchtung verschiedene Helligkeitsstufen durchläuft – eine recht verbreitete Methode. Man kann sich aber auch einer Sensorik bedienen, welche die Helligkeitsstufen ereignisbasiert regelt. «Wenn zum Beispiel jemand einen Weg entlang läuft, wird die Helligkeit der Beleuchtung erhöht; ist die Person weg, wird das Licht wieder gedimmt», erklärt Jörg Haller. Das Bundesamt für Umwelt BAFU beschreibt diesen Effekt als einen «fliegenden Lichtteppich», der eine Person oder ein Fahrzeug begleitet, ohne dass dies von den Lenkenden bewusst wahrgenommen wird. Diese Form der bedarfsgerechten, dynamischen Beleuchtungssteuerung kam bereits 2012 auf einer Quartierstrasse in St. Gallen zum Einsatz. Auf einer Strasse in Regensdorf ZH begleitet der «fliegende Lichtteppich» Fahrzeuge bis zur Nachtabschaltung um 1 Uhr. Eine weitere Art der Beleuchtungssteuerung kommt auf Zürcher Kantonsstrassen zum Einsatz. «Das Verkehrsaufkommen wird ständig gemessen», erklärt Jörg Haller den Ansatz. «Ändert sich dieses innerhalb eines definierten Zeitintervalls, wird das Lichtniveau sehr langsam nach oben oder unten angepasst.» So entsteht ein bedarfsgerechter Übergang der Lichtmenge zwischen Hauptverkehrszeit und Phasen, in denen die Strassen weniger genutzt werden – alles natürlich innerhalb der bestehenden gesetzlichen Normen. Der Vorteil dieser Methode: Die Veränderungen zwischen den Helligkeitsstufen sind für das Auge weniger stark wahrnehmbar als bei ereignisbasierten Steuerungen, und es wird weniger Sensorik benötigt.

 

Vereinfachung durch Schnittstellenstandard

Damit dynamische Lichtsteuerungen möglich sind, werden die einzelnen Leuchten heute üblicherweise miteinander vernetzt. «Das ist die eigentliche Intelligenz», sagt Jörg Haller. So können sie untereinander Informationen weitergeben oder auch Fehlfunktionen melden. In der Regel ist diese Vernetzung funkbasiert. Die vernetzten Leuchten werden zudem online in einem übergeordneten System kombiniert. Das klingt nach einem grossen Aufwand. Kann man bestehende Strassenbeleuchtungen denn überhaupt auf einen aktuellen Stand um- oder aufrüsten, oder müssen sie ausgetauscht werden? «In vielen Fällen muss nur der Leuchtenkopf ausgewechselt werden», sagt Jörg Haller. Ein wichtiger Modernisierungstreiber ist der Industriestandard für Schnittstellen, der vor einigen Jahren eingeführt wurde. Dadurch ist es möglich, dass Steuerungen einfach und zuverlässig nachgerüstet werden können. «Das hat die Modernisierungshemmung deutlich herabgesetzt.» Und wie vermeidet man, dass sich Fuchs und Hase bei voller Strassenbeleuchtung gute Nacht sagen, weil sie den Steuerungssensor ausgelöst haben? «Einerseits muss man sich je nach Standort fragen, ob eine Sensorik überhaupt sinnvoll ist oder ob es eine Zeitprofillösung auch tut», sagt Jörg Haller. Auch eine selektive Aktivierung von Sensoren sei eine Möglichkeit. Es gebe sogar Sensoren, die zwischen Mensch und Tier unterscheiden können. Diese seien jedoch teuer und würden deshalb bei Strassenbeleuchtungen kaum eingesetzt.

 

Licht, Laden, Messen ...

Verschiedene Tech-Unternehmen denken beim Thema intelligente Strassenbeleuchtung schon weit über Licht und Lichtsteuerung hinaus. Integrierte Ladestationen, WiFi-Hotspots, Kameras, Mini-PV-Anlagen – der Fantasie scheinen keine Grenzen gesetzt. Wobei dies eigentlich keine Fantasien mehr sind. 2017 wurde in Wädenswil der Smart City Tower errichtet, der an Multifunktionalität kaum zu überbieten ist. Er ist eine intelligente Strassenbeleuchtung, Ladestation für zwei Elektrofahrzeuge, Datensammelstelle für Umweltdaten und öffentliches WiFi-Netzwerk in einem. Ein ähnlicher multifunktionaler Lichtmast wird seit 2018 in Effretikon betrieben. «Die Frage ist heute tatsächlich nicht mehr, ob etwas möglich ist, sondern wo welcher Zusatznutzen Sinn ergibt», sagt Jörg Haller. Zudem ist der Aufwand für solche multifunktionellen Lösungen derzeit noch beträchtlich, da die einzelnen meist proprietären Systeme nicht ohne weiteres untereinander kommunizieren können. «Das wird sich in Zukunft sicherlich vereinfachen», ist der Experte überzeugt. «Aber auch dann muss nicht in jeder Gemeinde, an jedem Standort die gesamte Auswahl implementiert werden.» Auf Interesse stossen jetzt bereits Systeme, die Verkehrsmessungen erlauben oder Umweltdaten erheben, um Schadstoffe zu messen oder Aussagen über das Mikroklima zu machen. Theoretisch seien natürlich auch integrierte Ladestationen spannend, weil die Strassenbeleuchtung ja sowieso Strom benötigen und deshalb entsprechende Leitungen führen. «Bei genauerer Betrachtung holt einen dann aber die Realität recht schnell ein», weiss Jörg Haller. «Denn das Netz, das den Strom für Beleuchtung liefert, ist einfach nicht auf das Laden von Elektrofahrzeugen ausgelegt.» Eine echte Ladestation zu installieren, sei deshalb fast immer die bessere Lösung.

 


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