Bodensee als Trinkwasser-Reservoir

Anfang April hatte der Bodensee einen ungewöhnlich tiefen Pegel (Blick auf Arbon). (Bilder: A. Walker/zVg)

14.08.2025
Andreas Walker/FL

Versorgung mit Bodensee-Wasser

Im Mittel entnehmen alle Trinkwasserfassungen um den Bodensee rund 175 Mio. m3 pro Jahr. Der Bodensee als riesiger Speicher von Trinkwasser wird immer wichtiger, vor allem in Bezug auf trockene Wetter-Perioden.

Das Wasservolumen des Bodensees beträgt 48 km3, was 48 Mia. m3 oder 48 Bio. l entspricht. Das Bodensee-Wasser kommt zu zwei Dritteln aus unseren Alpen und stammt zum grossen Teil aus mehr als 1500 m Höhe. Deshalb ist seine Qualität von Natur aus sehr gut, da es nicht durch die Besiedlung, Industrie oder die Landwirtschaft beeinträchtigt wird. Für die Verwendung von Trinkwasser reicht eine einfache, naturnahe Aufbereitung. Zudem steht durch den ständigen Zufluss aus den Alpen immer genügend Wasser zur Verfügung.

Die unteren Wasserschichten im Bodensee (bis 251 m tief) und auch im Überlinger See (bis 147 m tief) werden durch die natürliche Schichtung des Wassers vor Verunreinigungen geschützt. Auf dem vier bis fünf Grad Celsius kühlen Tiefenwasser schwimmt fast das ganze Jahr eine wärmere Schicht, die sich wegen ihrer geringeren Dichte kaum mit dem Tiefenwasser vermischt. Wenn also Schadstoffe in die obere Schicht gelangen, können diese nicht in die tieferen Schichten absinken, woraus die Wasserversorgung das Wasser entnimmt. Nur wenn am Ende des Winters auch das Wasser in der oberen Schicht abkühlt, wird diese Schichtung aufgehoben und das Wasser umgewälzt. Dieser Prozess ist für den See sehr wichtig, damit auch der tiefe Bereich mit Sauerstoff versorgt wird.

Der Bodensee (Obersee und Untersee zusammenrechnet) hat eine Fläche von 535 km². Sein Einzugsgebiet beträgt 11 500 km². Da der Bodensee im Alpenvorland liegt, wird sein Wasserstand stark durch die Schneeschmelze der Alpen geprägt. Wenn in den Alpen der Niederschlag in Form von Schnee fällt, bleibt das Wasser vorerst gebunden und die Zuflüsse transportieren nur geringe Mengen von Wasser in die Seen. Deshalb werden die niedrigsten Pegelstände im Winter in der Regel Ende Februar verzeichnet. Mit der Schneeschmelze steigt der Wasserstand schliesslich stetig an und erreicht in der Regel Ende Juni sein Maximum.

 

Extremstände

Da der Bodensee nicht reguliert wird, können jahreszeitlich grosse Pegel-Schwankungen auftreten. Beim Höchststand im 20.Jahrhundert, der während des Hochwassers im Juni 1999 erreicht wurde, registrierte man in Romanshorn einen Wert von 397,89 m. Damals wurden teilweise die Regionen der ufernahen Städte unter Wasser gesetzt. Zudem hatte es Konsequenzen für die Schifffahrt. Viele Stege, die normalerweise für das An- und Ablegen von Schiffen verwendet wurden, waren damals unter Wasser. Dies führte zu Einschränkungen bei der Fahrgastbeförderung, da man nicht überall aus- und einsteigen konnte.

Im Jahr 2006 war genau das Gegenteil der Fall. Nach einem trockenen Herbst und Winter sank der Pegel im Bodensee im Februar 2006 auf einen Rekordtiefststand. In der Gemeinde Rorschacherberg erschienen im Februar am Bodenseeufer in Sandstein gehauene Jahreszahlen der damaligen See-Pegel. Auffällig oft waren die Jahreszahlen 1972 und die 1858 zu sehen, was auf damalige Pegeltiefstände hinweist. Am 7. Februar 2006 betrug der Pegel in Romanshorn 394,54 m. Das entspricht 2 cm unter dem bisher gemessenen Rekord. Zu dieser Zeit standen auch die Pfahlbauten von Unteruhldingen auf dem Trockenen.

Der rekordverdächtige Wassertiefstand hatte auch für die Schifffahrt Konsequenzen. Die Fähre zwischen Romanshorn und Friedrichshafen konnte nur noch maximal 180 statt der sonstigen 360 t zuladen, weil die Gefahr, vor der Einfahrt in den Friedrichshafener Hafen auf Grund zu laufen, sonst zu gross gewesen wäre. Zwischen dem tiefsten und dem höchsten je gemessenen Pegelstand des Bodensees liegen knapp 3.5 m.

Anfang April lag der Hafen Mannenbach auf dem Trockenen.

Anfang April lag der Hafen Mannenbach auf dem Trockenen.

Die Quagga-Muschel breitet sich in Schweizer Gewässern explosionsartig aus.

Die Quagga-Muschel breitet sich in Schweizer Gewässern explosionsartig aus.

Wasseraufbereitung und Verteilung

Das Bodensee-Wasser wird seit 1958 bei Sipplingen in 60 m Tiefe durch zwei, seit 1978 durch drei Rohre entnommen und im Seepumpwerk Süssenmühle auf den 310 m höher liegenden Sipplinger Berg gepumpt. Von dort rauscht das Bodenseewasser aus dicken Rohren mit 4000 l/sec. in das sogenannte Quellbecken. Das Wasser wird in riesigen Trommeln zuerst haarfein gesiebt, dann mit Ozon versetzt und schliesslich in riesigen Becken durch Schichten von Anthrazitkohle, Quarzsand und Kies filtriert.

Aus dem Reservoir, das 38 Mio. l fasst, fliesst das aufbereitete Trinkwasser schliesslich durch meterdicke Fernleitungen tagelang nach Norden in Richtung Stuttgart und nördliches Baden-Württemberg. Das gesamte fein verzweigte Fernleitungssystem ist 1700 km lang.

Drei Viertel allen Wassers, das aus dem Bodensee entnommen wird, fliesst durch diese Rohre nach Baden-Württemberg – 130 Mio. Kubikmeter jedes Jahr. Erlaubt wären dem zuständigen Zweckverband sogar 245 Mio. Kubikmeter.

Zurzeit gibt es 16 Wasserwerke am Bodensee. Eines davon ist die Bodensee-Wasserversorgung, die pro Tag durchschnittlich 356 000 m3 Wasser für 320 Städte und Gemeinden entnimmt. Maximal darf sie 670 000 m3 Rohwasser pro Tag entnehmen. Im Mittel entnehmen alle Trinkwasserfassungen um den See rund 175 Mio. m3 pro Jahr. Der Kanton St. Gallen bezieht etwa 20% seines Trinkwassers (ca. 10,5 Mio. m3 pro Jahr), der Kanton Thurgau rund 40% (ca. 13 Mio. m3 pro Jahr) aus dem Bodensee.

Pro Jahr bringen die Zuflüsse dem Bodensee insgesamt etwa 11,5 Mia. m3 Wasser. Vergleicht man die jährliche Wasserentnahme der gesamten Bodensee-Wasserversorgung von jährlich etwa 175 Mio. m3 Wasser dann wird klar ersichtlich, dass diese Menge im Vergleich zum Zufluss vernachlässigbar wird. Allein die Verdunstung des Bodensees ist höher als die Entnahme von Trinkwasser aus dem Bodensee.

Je nach Sommerverlauf variiert die Wasserentnahme. So wurden im Jahr 2015 mit einem trockenen Sommer 131 Mio. m3 Wasser entnommen. Die höchste Jahresabgabe wurde im Jahr 2003 mit 139,8 Mio. m3 erreicht. Im Rekord-Hitzesommer wurde am 8. August 2003 mit 531 000 m3 die höchste Tagesabgabe gemessen.

 

Klimawandel

In Zeiten des Klimawandels werde Wasser «wertvoller als Öl», sagte Markus Söder, der bayerische Ministerpräsident. Aufgrund der wachsenden Weltbevölkerung und der steigenden Temperaturen wird sich die Versorgung von Millionen Menschen mit sauberem Trinkwasser weiter zuspitzen. Trockenperioden in Südeuropa wie etwa die Wasserknappheit in der Poebene zeigten, wie schnell die Lage prekär werden kann. Italien zapfte den Lago Maggiore an, um Felder zu bewässern, der Pegel des Gardasees sank auf ein Rekordniveau und mit Barcelona ist gar eine europäische Grossstadt von akuter Wasserknappheit bedroht.

Im «Wasserschloss» Schweiz sind wir hingegen in einer privilegierten Situation. Dank den Bergen haben wir genug Niederschlag und die Gletscher dienen bisher noch als grosse Wasserspeicher. Allerdings verlängern sich auch bei uns die Trockenperioden. So erreichte der Bodensee im Frühling dieses Jahres erneut einen extrem tiefen Pegel, sodass ganze Landstriche in Ufernähe im Trockenen lagen.

 

Die Quagga-Muschel erobert die Seen

2014 konnte der Erstnachweis des Vorkommens der Quagga-Muschel (Dreissena bugensis) bei uns belegt werden. Bereits 2017 kam es zu einer massiven Ausbreitung der Art. Jetzt ist die Muschel mit den leicht gestreiften Schalen überall im Bodensee zu finden. Auch in anderen Schweizer Gewässern breitet sich die Quagga-Muschel explosionsartig aus. Aktuelle Messungen im Bodensee zeigten einen Spitzenwert von rund 25 000 Quagga-Muscheln pro m2. Auch im Genfer- und Bielersee vermehrt sie sich rasant. Die Quagga-Muschel stammt ursprünglich aus dem Schwarzmeerraum. Im Gegensatz zu ihrem Herkunftsort hat sie in den Schweizer Gewässern keine Fressfeinde, deshalb breitet sie sich schnell und unkontrolliert aus. Wie sie den Weg in unsere Seen fand, ist nicht genau geklärt.

Die Muschel setzt sich an Mikrosieben und Rohren von Wasserwerken fest und sorgt auch bei der Bodenseewasserversorgung für einen hohen Kostenaufwand zur Reinigung der Anlagen. Da die Muschel auch in der Entnahmetiefe für Trinkwasser von etwa 60 m vorkommt, müssen die technischen Anlagen vor der Ausbreitung der Muschel geschützt werden. Auf den Betonwänden der Becken und Rohre siedelt die Quagga-Muschel inzwischen zu Tausenden, denn die Larven der Muschel gelangen mit dem Seewasser in die Leitungen, wo sie sich festsetzen und zu Muscheln heranwachsen.

Die Bodenseewasserversorgung will mit dem Einsatz von Ozon die Ausbreitung der Muschel im Trinkwassernetz verhindern, denn Ozon tötet die Larven ab und Sandfilter entfernen sie aus dem Wasser. Gleichzeitig werden die technischen Anlagen häufiger gereinigt. Bis jetzt wurden die riesigen unterirdischen Wasser-Kammern der Bodensee-Wasserversorgung einmal im Jahr gesäubert. Wegen der Quagga-Muschel ist dies jetzt alle drei Monate notwendig. Dies ist ein relevanter Kostenfaktor, der auch zu Preissteigerungen beim Wasserbezug führen, die schliesslich auch die Verbraucher rund um den Bodensee erreichen könnten.

Fachleute gehen davon aus, dass die Quagga-Muschel bis zum Jahr 2045 voraussichtlich um einen Faktor von 10 bis 20 zunehmen wird. Die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg geht davon aus, dass die Muschel bis 2040 etwa 90% der Biomasse im Bodensee ausmachen wird.

Es ist gut möglich, dass die massive Ausbreitung der Quagga-Muschel im Zusammenhang mit dem Rückgang der Felchen-Bestände im Bodensee steht. Der Bodenseefelchen auch Blaufelchen genannt, ist ein Speisefisch, der sich - wie die Quagga Muschel - von Plankton ernährt. Zum Nachteil der Fischer siedeln sich die Quagga-Muscheln auch an Reusen, Leinen, Ankern und sogar im Kühlwassersystem der Bootsmotoren an. Sogar in den Netzen, die auf dem Seegrund ausgelegt werden, bleiben viele Muscheln hängen.

 

Problem für sanitäre Anlagen

Die Quagga-Muschel kann für sanitäre Anlagen, insbesondere solche, die mit Seewasser oder anderen Gewässern verbunden sind, ein ernsthaftes Problem darstellen. Sie setzt sich überall fest und kann Leitungen und Filter verstopfen. Dies führt zu erhöhten Reinigungs- und Unterhaltskosten, möglicherweise sogar zu Notfällen. 

Zudem setzen sich die Muscheln auf den Innen- und Aussenwänden von Leitungen und Filtern fest und verringern so den Durchfluss. Dies kann zu erhöhten Pumpenlasten und somit Schäden an den Anlagen führen.

In den Wasserwerken verstopfen die Muscheln die Siebe, die am Ende der Fassungsleitungen angebracht sind. Dies kann im Extremfall zu einer vollständigen Blockade der Wasserentnahme führen.

 

Der vollständige Beitrag ist in p+i 04/25 erschienen


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