Frauen in der Gebäudetechnik

Jessica Stoller – eine engagierte und zielstrebige Fachfrau in der Gebäudetechnik.

25.07.2024
Interview: Daniela Hochradl / PW

«Sei cool, aber nicht kalt!»

Interview mit Kältesystemplanerin Jessica Stoller (25). Sie ist eine engagierte und zielstrebige Fachfrau in der Gebäudetechnik. Seit sechs Jahren arbeitet sie als Projektleiterin im Bereich Kälte- und Klimatechnik, unter anderem bei der Celsio Kälte + Klima AG und seit kurzem bei Equans Kältetechnik.

Kälteanlagen in Gewerbebetrieben und der Industrie machen in der Schweiz etwa fünf Prozent des gesamten Stromverbrauchs aus. Viele Supermärkte setzen derzeit CO2 als Kältemittel ein, da es mit einem Treibhausgaspotenzial von 1 die Umwelt weniger belastet als andere Kältemittel. Auf dem Markt sind viele unterschiedliche Konzepte dieser Anlagen verfu?gbar. Welche Anlageneinstellungen zu einem mo?glichst effizienten Betrieb fu?hren, ist jedoch in vielen Fällen nicht klar. Jessica hat sich in ihrem Masterstudium intensiv mit der Analyse von CO2-Kälteanlagen befasst. Im Juli 2024 konnte sie ihre Masterthesis abschliessen und somit ihr berufsbegleitendes Studium an der Hochschule Luzern erfolgreich beenden. Jessica ist äusserst lernbereit und motiviert, gemeinsam mit anderen voranzugehen. Im Interview mit HK-Gebäudetechnik teilt sie ihre persönlichen Erfahrungen, beruflichen Ziele und Erkenntnisse aus ihren Forschungen zu CO2-Kälteanlagen.

 

Jessica, du wirkst sehr erleichtert, dass deine Masterthesis nun «unter Dach und Fach ist». Gratulation! Wie kamst du ursprünglich zu der Entscheidung, eine Ausbildung in der Gebäudetechnik anzustreben?

Jessica Stoller: Schon immer war ich davon fasziniert, wie Alltagsgegenstände technisch funktionieren. Bei der Berufswahl suchte ich nach einer Tätigkeit, bei der ich mit Menschen in Kontakt treten, Berechnungen anstellen und kreative Lösungen finden kann. Gebäudetechnik schien für mich ideal zu sein.

Mit der Präsentation ihrer Master-Thesis zum Thema «Analyse von CO2-Kälteanlagen» konnte Jessica ihr Studium an der Hochschule Luzern erfolgreich abschliessen.

Mit der Präsentation ihrer Master-Thesis zum Thema «Analyse von CO2-Kälteanlagen» konnte Jessica ihr Studium an der Hochschule Luzern erfolgreich abschliessen.

Jessica ist überzeugt, dass CO2-Kälteanlagen im Bereich der Lebensmittelkühlung zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen werden.

Jessica ist überzeugt, dass CO2-Kälteanlagen im Bereich der Lebensmittelkühlung zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen werden.

Vergleich des Energiebedarfs für kleine Filialen mit offenen oder geschlossenen Kühlmöbeln. Die strichlierten Linien zeigen die Energieeinsparungen in %.

Vergleich des Energiebedarfs für kleine Filialen mit offenen oder geschlossenen Kühlmöbeln. Die strichlierten Linien zeigen die Energieeinsparungen in %.

In ihrer Freizeit reist Jessica gerne und sieht sich die Welt an (hier: Finnland).

In ihrer Freizeit reist Jessica gerne und sieht sich die Welt an (hier: Finnland).

Abschalten vom Alltag kann Jessica am besten in der Natur.

Abschalten vom Alltag kann Jessica am besten in der Natur.

Jessica Stoller – eine engagierte und zielstrebige Fachfrau in der Gebäudetechnik.

Jessica Stoller – eine engagierte und zielstrebige Fachfrau in der Gebäudetechnik.

Was hat dich dazu gebracht, dich mit dem Thema CO2-Kälteanlagen zu beschäftigen?

Jessica Stoller: Als Kältesystemplanerin hatte ich bereits mehrmals Kontakt mit dem Kältemittel CO2. Gleichzeitig reichten meine Kenntnisse nicht ins Detail. Durch die Masterthesis konnte ich mich weiterentwickeln und viel zum Thema CO2 lernen.

 

Worum genau geht es in deiner Masterthesis?

CO2-Kälteanlagen werden immer häufiger eingesetzt. Es gibt viele unterschiedliche Konzepte. Es war bekannt, dass sich mit Parallelverdichtern und Ejektoren energetische Einsparungen erreichen lassen. Allerdings war nicht bekannt, wie hoch diese ausfallen würden. Besonders interessant war die Anschlussfrage, welche Konzepte für welche Anlagengrössen aus wirtschaftlicher Sicht empfehlenswert sind.


Ein Parallelverdichter fördert das Gas direkt aus dem Sammler (ohne dass der Druck zuvor gesenkt werden muss) und verbessert damit die Effizienz der Anlage.
Durch einen Ejektor wird der Druck des Kältemittels reguliert und die kinetische Energie wird genutzt, um Kältemittel mit niedrigerem Druck anzusaugen und zu fördern.



Und? Welche Konzepte sind für welche Anlagengrössen aus wirtschaftlicher Sicht empfehlenswert?

Sobald mehr Konzepte untersucht worden sind, wird diese Frage noch interessanter werden. Derzeit steht fest, dass der Einsatz eines Gas-Ejektors vor allem bei grossen Kälteleistungen Sinn macht.

 

Wie bist du vorgegangen, um den Energiebedarf zu berechnen?

Ich habe eine möglichst einfache CO2-Boosteranlage als Standard-Ka?lteanlage definiert. Für die Berechnung des Energiebedarfs habe ich ein Berechnungs-Skript in Python (Programmiersprache, seit 1991) erstellt. Die Inputdaten habe ich von der ZHAW bekommen. Dann konnte ich meine Berechnungsergebnisse mit den Messwerten einer Referenzanlage vergleichen und das Modell abgleichen. Die Berechnungen berücksichtigen verschiedene Kälteleistungen für kleine und grosse Filialen mit offenen oder geschlossenen Pluskühlmöbeln.

 

Wie hast du die notwendigen Kälteleistungen definiert?

Die ZHAW hat die stündlichen Kälteleistungen basierend auf der Auslegungskälteleistung und zusätzlichen Informationen wie der Innenraumtemperatur in der Filiale und der Art der Pluskühlmöbel berechnet. Sie haben sich über Monate intensiv mit diesem Thema befasst. Für mich wäre es zu zeitaufwendig gewesen, ein eigenes Modell zur Berechnung der Kälteleistungen zu entwickeln. Vermutlich wären meine Ergebnisse weniger präzise gewesen, wenn ich diese Angaben nicht hätte übernehmen können.

 

Was sind die zentralen Ergebnisse, die du aus deinen Berechnungen und Simulationen gewonnen hast?

Eine wesentliche Erkenntnis ist, dass optimale Anlageneinstellungen bis zu 10 % des jährlichen Strombedarfs einsparen können. Ein Parallelverdichter steigert diese Einsparungen auf etwa 25 %. Mit einem Gas-Ejektor lässt sich die Effizienz nochmals um 1 bis 2 % steigern (siehe Grafik). Die Effizienzsteigerung, die durch den Gas-Ejektor erreicht werden kann, ist relativ gering, da dieser nur etwa die Hälfte des Jahres in Betrieb sein kann. In grossen Filialen sind die Einsparungen höher und die Amortisationszeit kürzer. Bei einem Strompreis unter 10 Rp./kWh rentiert sich der Gas-Ejektor für kleine Filialen nicht, da die Amortisationszeit mehr als 20 Jahre beträgt. Für grosse Filialen liegt die Amortisationszeit eines Gas-Ejektors bei etwa 10 Jahren. Selbstverständlich hängt die mögliche eingesparte Jahresenergie davon ab, wie die Kälteanlage dimensioniert wurde.

 

Welche Empfehlungen ergeben sich aus deinen Untersuchungen?

Um die Thematik vollends auszuleuchten, müssen noch weitere Untersuchungen gemacht werden, da es noch viele weitere Konzepte, Anlagengrössen oder auch Einflüsse auf die optimale Auslegung gibt. Grundsätzlich empfehle ich Gewerbebetrieben und der Industrie, die Verdampfungstemperatur und Überhitzung ihrer CO2-Kälteanlagen optimal einzustellen, da dies den grössten Einfluss auf die Effizienz hat. Mit grossem Abstand folgt der Sammlerdruck, der bei den durchgeführten Berechnungen bei 42 bar das Optimum erreicht hat. Bauliche Massnahmen wie das Vermeiden direkter Sonneneinstrahlung auf den Gaskühler können die Effizienz ebenfalls verbessern. Beim Bau neuer Anlagen sollten optimale Einstellwerte und Erweiterungen wie Parallelverdichter und Gas-Ejektoren von Anfang an berücksichtigt werden. Dabei sollte die Amortisationszeit nicht vernachlässigt werden.

 

Welche Faktoren beeinflussen die Amortisationszeit am meisten?

Der grösste Einflussfaktor scheint der Jahresenergiebedarf zu sein. Bei den Investitions- oder Stromkosten reagiert das Resultat weniger sensibel.

 

Welche Hürden gibt es neben der Wirtschaftlichkeit noch für den Einsatz von Gas-Ejektoren?

Das System erfordert geschulte Fachleute für die richtige Einstellung und Fehlersuche. Diese Faktoren erhöhen die Inbetriebsetzungs- und Wartungskosten im Vergleich zu Standardanlagen.

 

Wie siehst du die Zukunft der CO2-Kälteanlagen?

Ich glaube, dass CO2-Kälteanlagen im Bereich der Lebensmittelkühlung weiter an Bedeutung gewinnen werden, vor allem bei kleineren Betrieben, da der Druck zur Reduktion von Treibhausgasemissionen steigt.

 

Inwiefern tragen CO2-Kälteanlagen zur Reduktion der Umweltbelastung bei?

Kälteanlagen werden für die Kühlung von Lebensmitteln, Prozessen oder die Klimatisierung von Gebäuden und Fahrzeugen eingesetzt und sind somit weit verbreitet. Aktuell wird für kleine Kälteleistungen häufig R513A eingesetzt, ein synthetisches Kältemittel, das einen etwa 600-mal höheren Treibhausgaseffekt aufweist als CO2. Bei jedem Leck, das eine Kälteanlage aufweist, tritt Gas aus. CO2 ist nicht giftig, wirkt bei direktem Hautkontakt nicht ätzend und ist daher eine umweltfreundliche Alternative.

 

Welche Massnahmen könnten zusätzlich ergriffen werden, um die Umweltfreundlichkeit von Kälteanlagen weiter zu erhöhen?

Beim Materialeinsatz sehe ich Potential zur Reduktion der Umweltbelastung. Zudem sollten funktionierende Anlagen oder Anlagenteile möglichst lange genutzt oder auch wiederverwendet werden. Ein Hindernis dafür könnte sein, dass niemand die Garantie für wiederverwendete Teile übernehmen möchte.

 

Welche anderen Ansätze gibt es, um die Effizienz von CO2-Kälteanlagen zu steigern?

Eine Kombination aus Gas- und Flüssig-Ejektoren ist aus meiner Sicht vielversprechend. Von dieser Kombination erhoffe ich mir einen grösseren Nutzen als durch den alleinigen Einsatz eines Gas-Ejektors. Durch diese Kombination könnte die Verdampfungstemperatur weiter angehoben und die Überhitzung weiter reduziert werden.

Mittlerweile gibt es auch neue Ansätze, bei denen der Einsatzbereich der CO2-Kälteanlage erweitert wird, sodass sie die ansonsten zusätzlich nötigen Kälte- und Wärmeerzeuger für die Klimatisierung und Beheizung des Gebäudes und die Warmwasserbereitstellung ersetzen kann. Ich könnte mir vorstellen, dass dies die Gesamteffizienz einer Filiale enorm verbessert.

 

Planst du, deine Forschung in diesem Bereich fortzusetzen?

Ich hoffe, dass es die Zeit zulassen wird, dass ich die Forschung fortsetzen kann. In einem ersten Schritt würde ich mich vor allem mit weiteren Konzepten befassen. In einem weiteren Schritt würde ich weitere Gebäudenutzungen und Kältemittel aufnehmen. Ich fände es interessant, die Ergebnisse für andere Nutzungen zu sehen.

 

Welche Herausforderungen sind dir begegnet?

Mit Rückschlägen umzugehen war schwer für mich. Je weniger Zeit bis zur Abgabe blieb, desto grösser wurden die Rückschläge. Ich investierte bereits jede freie Minute in diese Arbeit. Trotzdem konnten wegen numerischer Fehler nicht alle Stellen einer Datenbank ausgelesen werden, weshalb nur etwa ein Viertel meiner Simulationen erfolgreich verlief. Die Datenbank der Flüssig-Ejektoren konnte ich ebenfalls nicht auslesen. Die Implementation von diesen Daten wäre aber bereits in meinen Berechnungen enthalten gewesen. Daher musste ich kurzfristig alle Berechnungen und Schemata auf einen Gas-Ejektor abändern.

Meine Motivation, das Studium abzuschliessen und eine gute Masterarbeit zu schreiben, half mir, diese Hürden zu überwinden.

Eine grosse Herausforderung war auch die Kommunikation mit der Supermarkt-Kette und mit der ZHAW. Es dauerte oft lange, bis ich auf schriftliche Anfragen eine Antwort bekam. In solchen Momenten habe ich angerufen und nachgefragt.

 

Was hast du persönlich aus der Arbeit an dieser Masterthesis gelernt?

Dass es unmöglich ist, alle Erwartungen zu erfüllen, da die Zeit oft nicht ausreicht. Zudem habe ich die Bedeutung offener und klarer Kommunikation erkannt. Viele Missverständnisse und Probleme hätten durch bessere Kommunikation vermieden werden können.

 

Was wird dir besonders in Erinnerung bleiben?

Ich war positiv überrascht, wie gerne einige Fachleute ihr Wissen teilen, wenn man daran interessiert ist, sich weiterzuentwickeln.

 

Stichwort «Interesse»: Warum interessieren sich nicht mehr Frauen für Gebäudetechnik-Berufe?

Ein Grund könnte die Unsicherheit sein, wie schwierig es ist, sich in dieser Branche zu behaupten. Viele Frauen haben vielleicht in der Schule weniger Interesse an Mathematik und Physik, was sie von technischen Berufen abhält. Allerdings sind heutzutage Programme verfügbar, die viele Berechnungen übernehmen, sodass technisches Verständnis wichtiger ist als das sofortige Lösen komplizierter Formeln.

Vielleicht wissen viele Frauen auch nicht, wie vielseitig und interessant diese Berufe sind. Es ist wichtig, dass mehr Frauen in diesen Bereichen sichtbar werden und ihre Erfahrungen teilen, um andere zu ermutigen. Ich denke, dann werden auch allfällige Hemmschwellen, in die Gebäudetechnik Branche einzusteigen, kleiner.

 

Danke, Jessica, dass du dich traust, voranzugehen. Wie verändert sich die Branche durch die Mitarbeit von Frauen?

Frauen können oft eine neue Perspektive einbringen, da sie vielleicht eine andere Lösung für ein Problem sehen. Ich denke, die Anwesenheit von Frauen hat auch Auswirkungen auf die Zusammenarbeit im Team. Wenn ich in einem Raum anwesend bin, benehmen sich die meisten Männer sehr zuvorkommend. Einige geben sich redlich Mühe, nicht zu fluchen, andere ein bisschen netter miteinander umzugehen. Ich selbst wurde bisher nie «zusammengestaucht» und durfte Gespräche auf Augenhöhe erleben.

 

Welche beruflichen Ziele hast du und wie denkst du über die Vereinbarkeit von Karriere und Familie?

Eines meiner Ziele besteht darin, einen Teilaspekt der Gebäudetechnik zu unterrichten. Dadurch werde ich etwas weniger in einer Firma arbeiten können, um meine Familie nicht zu sehr zu vernachlässigen. Vielleicht kommt irgendwann der Moment, wo ich mich weiter in ein bestimmtes Thema vertiefen möchte und wieder beginne zu studieren. Ich könnte mir aber auch vorstellen, mich voll und ganz dem Unterrichten zu widmen.

 

Gibt es noch etwas, das du hinzufügen möchtest?

Ich möchte mich bei allen bedanken, die mich auf meinem Weg unterstützt haben. Ohne die Hilfe und Ermutigung meiner Familie, Freunde und Kollegen wäre ich nicht da, wo ich heute bin. Ich hoffe, dass meine Arbeit und mein Engagement andere inspirieren und ich so dazu beitragen kann, die Gebäudetechnik nachhaltiger und effizienter zu gestalten.

 

Vielen Dank für das Gespräch und deine inspirierenden Einblicke, Jessica!

Danke, es war mir eine Freude, meine Erfahrungen und Erkenntnisse zu teilen.


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